Seit Sommer des vergangenen Jahres ist es in der Stadt Zürich quasi verboten, am letzten Freitag im Monat an gewissen Orten Velo zu fahren. Die monatliche Veloausfahrt der Critical Mass Zürich wurde damals vom Zürcher Bezirksrat zur bewilligungspflichtigen Demonstration erklärt. In der Praxis bedeutet das, dass auch Velofahrende von der Polizei gebüsst werden, die per Zufall an einer solchen Veloausfahrt vorbeifahren. Denn wie soll man in so einer Situation beweisen, dass man kein Teil der unbewilligten Demonstration ist? Stadtzürcher, die keine Busse riskieren wollen, sind an solchen Tagen daher nur noch zu Fuss oder mit dem Tram unterwegs.
Das klingt absurd, ist aber eine logische Folge einer ausufernden, ideologisch motivierten Repressionspolitik. Doch es ist ein harmloser Vorgeschmack im Vergleich zu dem, was uns bald allen blühen könnte: Mit der sogenannten Anti-Chaoteninitiative können sämtliche Kosten für Polizeieinsätze, Sachbeschädigungen und dergleichen auf die Teilnehmenden von Demonstrationen und anderen öffentlichen Versammlungen abgewälzt werden. – Nicht nur auf die Organisierenden oder gewalttätige Teilnehmende. Auch hier stellt sich die Frage: Wer macht mit und wer steht nur per Zufall daneben?
Viele von uns waren wahrscheinlich schon einmal in einer S-Bahn mit grölenden Fussballfans unterwegs. Das ist unangenehm genug. In Zukunft kommt man in einer solchen Situation in Erklärungsnot: Wie beweist man, dass man unbeteiligter Zugpassagier ist? Wie kann man verhindern, für einen allfälligen teuren Polizeieinsatz zur Kasse gebeten zu werden? Was passiert, wenn man diese Kosten nicht bezahlen kann? Hier geht es schliesslich nicht mehr um ein kleines Bussgeld.
In unserem Rechtsstaat gilt aus gutem Grund die Unschuldsvermutung. Diese Initiative kehrt dieses Prinzip um: Wer sich in der Nähe eines Rechtsverstosses aufhält, wird automatisch zum Mittäter. Wer seine Unschuld nicht beweisen kann – und das ist mit der Formulierung der Initiative fast unmöglich – hat Pech gehabt.
David Siems, Grüne Dübendorf
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