Zum Artikel „Nach Holocaust-Post der Zürcher SVP: Unwissende und «schockierte» Lokalpolitiker“, Züriost, 24.07.2020

Es gibt hin und wieder Schweizer Spielfilme, die einen kritischen Blick auf unser Land werfen. Üblicherweise garnieren die Filmemacher diese Werke aber mit einer versöhnlichen Portion Zuckerguss. So fühlt sich am Ende kein Zuschauer allzu betupft und der Zustupf aus Bern ist auch nicht gefährdet.

„Das Boot ist Voll“ von Markus Imhoof ist da eine wohltuende Ausnahme: Er erzählt die Geschichte von jüdischen Flüchtlingen und einem Nazi-Deserteur, die sich während des zweiten Weltkrieges bei einem Wirtenpaar in der Schweiz verstecken. Der Film ist schonungslos ehrlich. Er nimmt den Zuschauer als mündigen Erwachsenen ernst und konfrontiert ihn mit einer unangenehmen Wahrheit: Die Schweiz hat Beihilfe zum Holocaust geleistet.

Mit dieser Wahrheit tut man sich hierzulande aber immer noch schwer. Der Bergier-Bericht wird gerade in rechts-konservativen Kreisen gerne als Propaganda linker Nestbeschmutzer abgetan. Und die SVP forderte 2006 sogar, dass das daraus entstandene Geschichtslehrbuch „Hinschauen und Nachfragen“ des Zürcher Lehrmittelverlages verboten wird.

Es ist darum gut möglich, dass die Herren von der Zürcher SVP das Holocaustmahnmal, mit dem sie für die Begrenzungs-Initiative geworben haben, wirklich nur für eine Ansammlung von Betonklötzen gehalten haben. Wenn man drei Generationen lang so krampfhaft weggeschaut und sich in die eigene Tasche gelogen hat, sieht man nur noch, was man sehen will. Gerade dieser Selbstbetrug ist aber auch eine Form von Holocaustleugnung und das eigentliche Problem.

Übrigens: „Das Boot ist Voll“ können Sie als DVD nirgends kaufen. Ich suche seit Jahren vergeblich danach. Allerdings kann man den Film auf der Website von Markus Imhoof für vier Franken streamen.

David Siems, Dübendorf

Anmerkung der Redaktion: Aus Respekt vor den Opfern der Shoah und der Würde ihrer Gedenkstätte, haben wir für die Illustration dieses Beitrages ein Foto ohne die „Ergänzungen“ der SVP verwendet.