Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie die SVP gegen ihre Klientel vorgeht.
In den letzten Wochen war das Wort in aller Munde und auf allen Plakaten präsent: die Bauernlobby, die sowohl Bauern als auch Bevölkerung zumeist in der SVP verorten. Doch weit gefehlt. Gleich zweimal in Folge sprach sich die SVP gegen wichtige Anliegen der Landwirtschaft aus – dies als selbst ernannte Bauernpartei, in die ein Grossteil der Landwirte in meinem Umfeld noch immer grosses Vertrauen setzen.
So wurde in der ersten Sessionswoche das Zolltarifgesetz beraten. Der Bundesrat schlug vor, alle Zölle auf Importe von Industriegütern unilateral aufzuheben. Davon versprach man sich positive Effekte für Konsumierende und Industrie.
Es liegt jedoch auf der Hand, dass unilaterale Zollsenkungen strategisch falsch sind, gerade wenn bilaterale Handelsabkommen in Erarbeitung oder teils bereits finalisiert sind. Es ist wichtig, die Industriezölle als Verhandlungsmasse gegenüber künftigen Handelspartnern zu wahren. Kann die Schweiz dabei nichts mehr offerieren, steigt der Druck auf die Agrarzölle, da dann nur noch diese für Konzessionen bleiben. Damit gerät die Landwirtschaft massiv unter Druck.
Was Zollsenkungen bei Agrarprodukten bedeuten, wissen wir alle: Der Detailhandel und die Gastronomie bedienen sich an günstigen Tierprodukten aus dem Ausland, inländische Produkte sind kaum mehr konkurrenzfähig, und auch bei massiver Intensivierung auf Kosten von Tier und Umwelt hätten Schweizer Bauern keine Chance, preislich mitzuhalten. Umso stossender, dass die Fürsprecherin der SVP für die Aufhebung votierte und die SVP dann auch so abstimmte. Dass die Aufhebung dennoch abgelehnt wurde, ist den Grünen, der SP und den Mitte-Fraktionen zu verdanken, die selbst ernannte Bauernlobby schlug sich auf die Seite der Industrie.
Ein zweites Geschäft, diesmal ohne Happy End, war die Forderung nach der Ausklammerung der Agrarprodukte aus dem Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Auch wenn dieses Abkommen grundsätzlich bereits steht, wäre es wichtig gewesen, dieses Zeichen zu setzen, da gerade aus Argentinien oder Brasilien schon heute massiv Rind und Poulet importiert wird.
2019 hat die Schweiz aus Brasilien rund 15’400 Tonnen Geflügel importiert – unter katastrophalen Bedingungen für die Hühner und mehr als fragwürdigen Auswirkungen auf die Umwelt, wird doch ein grosser Anteil des Regenwaldes noch immer für Viehhaltung und Futtermittelanbau gerodet. Werden hier Kontingentierungen gelockert oder Zölle gesenkt, bedeutet dies neben viel Tierleid und Umweltschäden auch einen wachsenden Preisdruck für unsere Bauern. Mit dem Preisniveau dieser Produkte können sie unmöglich mithalten, und der Detailhandel erhält dadurch eine stets wachsende Machtposition.
Man könnte meinen, zumindest hier auf die stets als so mächtig bezeichnete Bauernlobby zählen zu können – doch weit gefehlt. Das Anliegen scheiterte, die SVP sprach sich dagegen aus, und auch FDP und GLP taten es ihnen gleich. Gerade im Licht der aktuellen Debatten ist dies mehr als zynisch: Die Produktion im Inland zu senken und umweltfreundlicher zu produzieren, um dann die Nachfrage mit fragwürdigen Importen zu decken, ist schlicht eine Auslagerung des Problems. Einmal mehr zeigte sich die Bauernpartei in einem wichtigen Anliegen für die Landwirtschaft nicht präsent.
Nach dem 13. Juni gilt es, Scherben zu kehren, sich zusammenzusetzen und gemeinsam die Landwirtschaft in eine zukunftsfähige Richtung weiterzuentwickeln – nicht top down, sondern gemeinsam mit den Bauern. Und vielleicht noch einmal darüber nachzudenken, wer wirklich für die Bauern einsteht.
Meret Schneider, Nationalrätin Grüne Kanton Zürich
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