Ausgerechnet im Corona-Jahr war Flavia Sutter die höchste Dübendorferin. Die meisten gesellschaftlichen Anlässe fielen weg, dafür galt es ungewöhnliche Entscheide zu fällen. Im Interview verrät die grüne Politikerin, wie es ist, während einer Pandemie den Gemeinderat zu präsidieren.

Thomas Bacher: Flavia Sutter, das Ratspräsidium ist für viele der Höhepunkt ihrer politischen Karriere. Doch Ihr Jahr als höchste Dübendorferin war von der Corona-Pandemie überschattet. Waren Sie vom Ausmass der zweiten Welle überrascht?

Flavia Sutter: In meiner Antrittsrede im Juli 2020 hatte ich noch Mitleid mit meinem Vorgänger geäussert, der von der ersten Corona-Welle betroffen war. Damals bin ich wie wohl die meisten davon ausgegangen, dass die Pandemie vorbei ist. Dass es dann zu einer dermassen einschneidenden zweiten Welle kommen würde, hätte ich nie gedacht.

Thomas Bacher: Repräsentative Aufgaben wie die Teilnahme an gesellschaftlichen Ereignissen prägen das Amtsjahr. Viele dürften nicht stattgefunden haben. Wie schlimm war das für Sie?

Flavia Sutter: Immerhin ein paar wenige Veranstaltungen wurden durchgeführt, die habe ich dann umso mehr genossen. Die meisten aber mussten abgesagt werden, was ich sehr schade fand, weil ich gerne neue Menschen kennenlerne und mich deshalb sehr darauf gefreut habe. Ein Höhepunkt war aber sicher, dass ich die Verwaltung und die städtischen Betriebe besuchen und dort hinter die Kulissen schauen konnte. Spannend war das etwa bei der Integrationsstelle, weil ich das Angebot vor Jahren mit aufgebaut habe und nun sehen konnte, was daraus geworden ist. Den neuen Dübendorf Polizeikommandanten habe ich auch getroffen.

Thomas Bacher: Wurde es Ihnen allenfalls gar etwas langweilig, weil ein wichtiger Teil Ihrer Aufgaben wegfiel?

Flavia Sutter: Nein, es war aus politischer Sicht ein intensives Jahr mit vielen Vorstössen und Rekursen, die auch für das Büro des Gemeinderats viel Arbeit bedeuteten. Dazu kamen wichtige Themen wie zum Beispiel die Schuleinheit in der Überbauung Three Point und natürlich Tempo 30 mit den dazugehörigen lauten Nebengeräuschen. Auch die Bildung der Spezialkommissionen für die Begleitung der externen Untersuchung der Vorfälle rund um das Sozialamt sowie für die Revision der Gemeindeordnung waren alles andere als Courant normal.

Thomas Bacher: Sie gehören im Gemeinderat zu den aktiveren Politikerinnen mit regelmässigen Wortmeldungen und Vorstössen. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, dass Sie in dieser Hinsicht ein Jahr lang zum Schweigen verdammt waren?

Flavia Sutter: Es gab schon einige Situationen im Rat, da hätte ich gerne etwas gesagt. Sehr gerne sogar. Aber es ist nun einmal ein Jahr, in dem man nicht inhaltlich arbeitet. Und darauf kann man sich auch einstellen, wenn man weiss, dass man danach wieder Stellung nehmen kann.

Thomas Bacher: Immerhin durften Sie ein Mal den Stichentscheid fällen – das dürfte Sie bei diesem Thema besonders gefreut haben.

Flavia Sutter: (lacht) Ja genau, bei der Frage nach der Einbürgerungskompetenz in der revidierten Gemeindeordnung. Das war spannend, auch wenn es letztlich keinen direkten Einfluss hatte, weil das Geschäft ja noch an die Urne kommt.

Thomas Bacher: Gab es auch einen Ablöscher, etwa eine Ratssitzung, an die Sie sich nicht gerne erinnern?

Flavia Sutter: (Überlegt.) Nein, da fällt mir gar nichts ein.

Thomas Bacher: Sie mussten in diesem Jahr Entscheide fällen, mit denen keiner Ihrer Vorgänger konfrontiert war – zum Beispiel die Maskenpflicht an der Ratssitzung, als diese noch nicht von übergeordneter Stelle angeordnet war. Die Massnahme wurde als «völlig übertrieben» kritisiert.

Flavia Sutter: Das war ein Entscheid, den das Büro des Gemeinderats gemeinsam gefällt hat. Und ja, das fanden einige gar nicht lässig. Es wurde darüber diskutiert und am Ende sprach sich der Rat dafür aus. Ich stehe nach wie vor dahinter. Wenn ein Teil des Rats sich wegen des Virus Sorgen macht und lieber vorsichtig ist, dann soll man aus Solidarität eine Maske tragen. Auch wenn ich selber nicht ängstlich bin und die Maske lieber ausziehe als anziehe.

Thomas Bacher: Heftige Kritik gab es auch vor Ihrer Wahl ins Präsidium. Die SVP beschuldigte Sie, beim «links-grünen Bashing» von Exponenten im Sozialbereich stets an vorderster Front gewesen zu sein. Auch warf man Ihnen eine «unfaire Attacke» gegen den Leiter der Abteilung Soziales vor, weshalb Sie für das Amt nicht geeignet seien. Wie lange dauerte es, bis sich die Situation wieder beruhigte?

Flavia Sutter: Das alles war nachher kein Thema mehr. Ich nahm meine neutrale Position als Präsidentin ein, persönliche Angriffe gab es im ganzen Jahr keine.

Thomas Bacher: In Ihrem Amtsjahr wurde der Livestream aus der Dübendorfer Ratssitzung eingeführt. Wird der nach Corona wieder abgeschafft?

Flavia Sutter: Hoffentlich nicht, auch wenn die Übertragung 2000 Franken pro Abend kostet. Ich habe immer wieder von Leuten gehört, die sich die Sitzung zu Hause anschauen, aber nie in den Ratssaal kommen würden. Das finde ich super. Man muss alles unternehmen, damit die Menschen sich für Politik interessieren und sich beteiligen.

Thomas Bacher: Wegen Corona fiel dieses Mal auch der Ratsausflug ins Wasser. Wohin wäre Ihre Reise gegangen?

Flavia Sutter: Ich hätte den Ausflug gerne nach Schwamendingen gemacht, ein spannendes Quartier, zu dem ich einen Bezug habe, weil ich dort arbeite.