Wie die Gegner des Tabakwerbeverbots mit simplen Marketingtricks vom Thema ablenken.
Ich stutzte, als ich am Plakat mit einer durchgestrichenen Rüeblitorte vorbeiging und den Slogan las. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es sich um Werbung gegen das Tabakwerbeverbot für Kinder und Jugendliche handelt. Die Aussage: Heute wird Tabakwerbung für Jugendliche verboten, morgen vielleicht Werbung für Cervelats oder Rüeblitorte.
Ja, diese alles dominierenden Rüeblitortenwerbungen sind ein gesellschaftliches Problem, denke ich ironisch und muss konsterniert feststellen, dass diese Werbung, so weit hergeholt und zusammenhangslos sie inhaltlich sein mag, ihr Ziel doch nicht verfehlt. Erstens bleibe ich stehen, zweitens begleitet mich der Gedanke an die Initiative noch den restlichen Weg nach Hause, und drittens bleibt mir das Plakat derart plastisch in Erinnerung, dass ich ihm nun sogar eine Kolumne widme. Letzteres allerdings deshalb, um die simplen, aber hocheffektiven Marketingtricks kurz zu entlarven.
Manipulationen vor Abstimmungskämpfen sind uns bekannt – gern werden grobe Geschütze aufgefahren, und es wird lieber zur Machete als zum Ziseliermesser gegriffen, wenn es darum geht, den Massen den Weg zum gewünschten Abstimmungsverhalten zu ebnen.
Eines der häufigsten rhetorischen Mittel, zu denen gegriffen wird, ist das Dammbruchargument, auch «Slippery Slope» genannt. Dabei wird suggeriert, dass ein zur Abstimmung gebrachtes Gesetz nur ein erster Schritt ist, ein Türöffner, dem dann diverse andere Konsequenzen folgen werden, die inhaltlich nichts mit der Abstimmungsvorlage zu tun haben müssen. In unserem Beispiel: Wenn wir heute Tabakwerbung für Kinder und Jugendliche verbieten, wird im nächsten Schritt vielleicht Werbung für Rüeblitorten verboten.
Ich vermute, auch die Gegnerinnen und Gegner der Initiative wissen: Geht es um inhaltliche Argumente dafür, Kinder Tabakwerbung auszusetzen, können sie nur verlieren.
Dass Tabak nachweislich schädlich ist und es einen direkten Zusammenhang zwischen Marketing- und Werbemassnahmen der Industrie und erhöhtem Zigarettenkonsum von Jugendlichen gibt, das eigentliche Argument also für ein Werbeverbot, wird dabei schlicht ignoriert. Eine Studie über Marketingstrategien für Tabakprodukte kam sogar zum Schluss, dass Tabakwerbung so formuliert und gestaltet ist, dass sie möglichst viele junge Menschen erreicht. Ein wichtiges Argument also, das die Gegenkampagne eigentlich zu entkräften hätte.
Dies tut sie aber wohlweislich nicht, sondern bedient sich der zweiten, sehr effektiven Manipulationsstrategie: dem Schüren von Angst. Nichts ist effektiver, um Menschen zu einem gewünschten Verhalten zu veranlassen, als ihnen zu suggerieren: Wenn du x tust, wird y passieren, wobei y ein unerwünschtes, beängstigendes Ereignis ist.
Oft beobachtet beim klassischen Argument des Verlustes von Arbeitsplätzen: Kriegsmaterialexporte, Steuererleichterungen oder hier Tabakwerbung – wer Arbeitsplätze schafft, ist von jeglicher moralischen Sanktion freigesprochen. Wie viele Arbeitsplätze mit der jeweiligen wirtschaftlichen Aktivität tatsächlich verbunden sind, ist dabei irrelevant: Die Drohgebärde des Arbeitsplatzverlustes reicht als solche bereits aus.
Die Kampagne macht also manipulativ alles richtig: Man nehme ein Sympathieträgerprodukt (Rüeblitorte), drohe mit zusätzlichen Verboten desselben und damit der Identität als Schweizer Bürgerin, Cervelat und Rüeblitorte essend, und füge willkürliche wirtschaftliche Argumente an (Marktfreiheit, Arbeitsplätze), ohne auf inhaltliche Argumente eingehen zu müssen.
Und inhaltliche Argumente sieht man tatsächlich kaum, weder in Debatten noch auf Plakaten. Ich vermute, weil auch die Gegnerinnen und Gegner der Initiative wissen: Geht es um inhaltliche Argumente dafür, Kinder Tabakwerbung auszusetzen, können sie nur verlieren.
Meret Schneider ist grüne Nationalrätin des Kantons Zürich
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