Estland hat ab 1997 seine Schulen flächendeckend mit PCs ausgerüstet. Das Land hat sich ab dann auf den Weg gemacht zum papierlosen, digitalisierten Staat.
Seit 2005 gibt es E-Voting, 2006 sind Notariate und Justiz digitalisiert worden. Ein Jahr später folgte das papierlose Gesundheitswesen inklusive dem, was wir in der Schweiz als elektronisches Patientendossier bezeichnen – nur, dass es in Estland flächendeckend eingeführt wurde und tatsächlich funktioniert. Das Straßenverkehrsamt wurde 2014 papierlos und seit 2015 sind alle Quittungen und Rechnungen im Land elektronisch. Die Steuererklärung in Estland ist in 10 Minuten auf dem Handy ausgefüllt. Das Zivilstandsamt ist seit 2020 digital nutzbar. Das hilft nicht nur der Bevölkerung, auch die Mitarbeiter:innen der Verwaltung arbeiten effizienter und werden von vermeidbarem Papierkram entlastet.
Warum erzähle ich Ihnen das? Estlands Weg ist die Antithese zu unserer Verwaltungs- und Steuerpolitik in der Schweiz und insbesondere hier in Dübendorf: Die Finanzabteilung sagt ein Defizit voraus und schon kürzt die Ratsmehrheit die Ausgaben. Gibt es dann doch einen Überschuss, wird sofort eine Steuersenkung gefordert. Diese Abwärtsspirale lässt keinen Spielraum zu für eine stabile Qualität der städtischen Leistungen, geschweige denn für Investitionen in eine effiziente, innovative Modernisierung.
Eine überlastete und unterbesetzte Stadtverwaltung ist die Folge dieser desaströsen Politik. Eine Bekannte von mir wartet seit geschlagenen drei Jahren auf die Baubewilligung für ihren Gartenzaun. Ich selber musste gerade zum dritten Mal innert vier Jahren eine Kopie des selben Mietvertrages bei der Stadt einreichen. Bei den Kita-Subventionen für meine Tochter habe ich das selbe Problem. Die hohen Fluktuationen beim Personal und die vielen Springer sorgen dafür, dass Akten verloren gehen, Zuständigkeiten ständig wechseln und niemand da ist, der über den aktuellen Stand eines Geschäftes informiert ist. So muss man jedem neuen Verantwortlichen die Sachlage wieder neu erklären und Akten einreichen. Immer und immer wieder.

Ein Gemeindesteuerfussprozent 2024 im Kanton Zürich bei einem steuerbaren Jahreseinkommen von 100’000 CHF: 62.05 CHF
Und das alles für ein paar Steuerprozente weniger. Ich möchte Ihnen etwas zeigen: Bei einem steuerbaren Jahreseinkommen von 100’000 CHF – das ist nicht wenig – macht ein Steuerprozent Gemeindesteuerfuss 62.05 CHF in der Steuerrechnung aus. Dafür gibt’s beim Inder bei mir in der Nachbarschaft ein Nachtessen.
Der Ärger, dem Dübendorfer:innen dank ihrer kaputtgesparten Verwaltung täglich ausgeliefert sind, steht für die allermeisten in keinem Verhältnis zu den paar Fränkli eingesparten Steuern. – Es sei denn, man findet die öffentliche Hand aus Prinzip irgendwie doof.
Geschätztes Kollegium, die Grünen möchten Ihnen ein englisches Sprichwort als Denkanstoss für die heutige Debatte mit auf den Weg geben: „Play stupid Games – win stupid Prizes,“ – Wer dumme Spiele spielt, gewinnt dumme Preise. Ein solcher Preis ist, dass uns eine einst marode Sowjetrepublik, über die man in den 80ern noch die Nase gerümpft hat, heute in Sachen eGovernment um 25 Jahre voraus ist und uns als direkte Folge auch in Sachen Steuerwettbewerb deutlich abgehängt hat. Denn dank dieser Modernisierung der Verwaltung, die Estland zunächst viel Geld gekostet hat, kann sich dieses Land heute mit einem einheitlichen Einkommenssteuersatz von 20% finanzieren – ohne Leistungsabbau.
Einen erfolgreichen Staat muss man aufbauen, nicht kaputtsparen. Oder anders ausgedrückt: Man kann den Kuchen nicht essen, bevor man ihn gebacken hat.
David Siems, Gemeinderat Grüne Dübendorf
Kommentar verfassen