Die Sozialbehörde der Stadt Dübendorf hat am 28. Mai 2013 beschlossen, aus der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS auszutreten. Der Austritt aus der SKOS hat keine unmittelbaren Folgen, da die SKOS-Richtlinien vom Kanton als verbindlich erklärt wurden und deshalb von allen Gemeinden angewendet werden müssen. Der beschlossene Austritt muss deshalb als politische Protestaktion gegen die SKOS-Richtlinien gewertet werden. Dies wird in der Pressemitteilung der Sozialbehörde vom 30.5.2013 auch sehr deutlich. Hinzu kommt ein unqualifizierter Angriff der
Sozialbehörde auf die Hochschule für Soziale Arbeit in Luzern und eine persönliche Attacke gegen den Präsidenten der SKOS. Zudem enthält der Beschluss eine Aufforderung an den Regierungsrat, die SKOS-Richtlinien grundsätzlich zu überprüfen. Dies wurde allerdings einen Tag vorher schon vom Kantonsrat beschlossen.

Laut Gemeindeordnung, Art. 51, besorgt die Sozialbehörde selbständig die ihr durch die eidgenössische und kantonale Gesetzgebung übertragenen Aufgaben im Vormundschafts- und Fürsorgebereich und beaufsichtigt die Alters- und Krankenheime. Politische Statements oder gar Protestaktionen im Namen der Stadt gehören nicht in die Kompetenz der Sozialbehörde. Auch ist es fraglich, ob die Sozialbehörde selbständig und ohne Zustimmung des Stadtrates den Ein- und Austritt aus der SKOS oder ähnlichen Organisationen beschliessen kann, unbesehen der damit verbundenen Ausgabenkompetenz.

Der Schritt der Sozialbehörde wirft rechtliche und inhaltliche Probleme auf.
Wir stellen dem Stadtrat deshalb folgende Fragen:

SP/Juso/Grüne: Wurde der Stadtrat vor dem erwähnten Beschluss informiert bzw. konsultiert?

Stadtrat: Über den erfolgten Austritt wurde der Stadtrat erst nach dem Beschluss der Sozialbehörde informiert.

SP/Juso/Grüne: Wenn nein, ist der Stadtrat der Meinung, dass die Sozialbehörde solche relativ weitgehenden Beschlüsse wie den Austritt aus der SKOS selbständig und ohne Konsultation des Stadtrates beschliessen kann und soll?

Stadtrat: Hinsichtlich des Beschlusses der Sozialbehörde, aus der SKOS auszutreten, ist auf die auf den ersten Blick nicht klare rechtliche Situation bzw. Kompetenzabgrenzung hinzuweisen. Aus heutiger Sicht und nach näheren juristischen Abklärungen wird davon ausgegangen, dass für die SKOS-Mitgliedschaft der Stadtrat zuständig gewesen wäre.

SP/Juso/Grüne: Ist es Aufgabe der Sozialbehörde, politischen Protestaktionen im Namen der Stadt Dübendorf durchzufiihren bzw. zu unterstützen?

Stadtrat: Nein. Nach § 7 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes obliegen der Sozialbehörde die Gewährleistung der persönlichen Hilfe, die Durchführung der Wirtschaftlichen Hilfe, die Berichterstattung an die Oberbehörden und die Vertretung der Gemeinde in Strafverfahren wegen unrechtmässiger Erwirkung von Sozialhilfeleistungen. Sodann wird in Art. 51 der Gemeindeordnung der Stadt Dübendorf unter anderem erklärt, die Sozialbehörde besorge selbständig die ihr durch die eidgenössische und kantonale Gesetzgebung übertragenen Aufgaben im Fürsorgebereich

SP/Juso/Grüne: Ist der Stadtrat einverstanden mit den inhaltlichen Aussagen und der Begründung für den Austritt aus der SKOS?

Stadtrat: Da es sich bei der Sozialbehörde um eine Kommission mit selbständigen Verwaltungsbefugnissen handelt, verwehrt sich der Stadtrat, zu den inhaltlichen Aussagen und der Begründung für den Austritt aus der SKOS Stellung zu nehmen.

SP/Juso/Grüne: Ist der Stadtrat bereit, die Sozialbehörde und den zuständigen Sozialvorstand auf evtl. Kompetenzüberschreitungen hinzuweisen?

Stadtrat: Die Wirkung des Sozialbehördenbeschlusses ist nach Ansicht des Stadtrates nicht relevant, weil die SKOS-Richtlinien unabhängig von der Mitgliedschaft gelten. Mit dem Sozialvorstand und zuhanden der Sozialbehörde ist man übereingekommen, dass künftig besser kommuniziert wird.

SP/Juso/Grüne: Ist der Stadtrat bereit, den Beschluss zum Austritt aus der SKOS im Gesamtstadtrat zu diskutieren und evtl. auf. den Beschluss zurückzukommen?

Stadtrat: Der Stadtrat hat im Sinne einer guten Behördenzusammenarbeit den Austritt der Stadt Dübendorf gegenüber der SKOS bestätigt. Er erachtet es als nicht konstruktiv, zum heutigen Zeitpunkt gegen den Willen der Sozialbehörde auf der Mitgliedschaft bei der SKOS zu bestehen.

SP/Juso/Grüne: Stellen Sie sich vor, ihr Kind schlägt bei der Nachbarin eine Scheibe ein. Als die Nachbarin das Kind massregelt, nennt es sie eine dumme Kuh. Die Nachbarin beschwert sich bei Ihnen. Sie finden die Tat ihres Kindes nicht richtig und haben jetzt zwei Möglichkeiten:

  1. Sie bezahlen den Schaden und befehlen dem Kind, sich zu entschuldigen.
  2. Das Kind ist in einem schwierigen Alter und das Zusammenleben in der Familie ist nicht immer einfach. Sie verteidigen deshalb die Tat des Kindes bei der Nachbarin, des lieben Friedens in der Familie wegen und um einem Krach mit dem Kind aus dem Weg zu gehen.

Der Stadtrat schreibt bei der Antwort auf unsere Interpellation klar und deutlich: Die Sozialbehörde unter der Führung des Sozialvorstandes Spillmann (SVP) hat seine Kompetenzen überschritten und hätte den Entscheid zum Austritt aus der SKOS nicht treffen dürfen. Der Entscheid über Vereinsmitgliedschaften und politische Aussagen zu grundsätzlichen Fragen der Sozialpolitik gehören nicht in den Kompetenzbereich der Sozialbehörde. Trotz dieses klaren Tatbestandes hat es der Stadtrat aber vorgezogen, sich im Nachhinein hinter das Vorgehen der Sozialbehörde zu stellen. Und dies obschon der Stadtrat mehrheitlich nicht einverstanden war mit dem Vorgehen und der Begründung der Sozialbehörde. Lothar Ziörjen hat dies gegenüber der Presse bestätigt: Der Gesamtstadtrat hätte anders entschieden. Wie in unserem Beispiel mit der eingeschlagenen Scheibe, zog es der Stadtrat vor, den „Familienfrieden“ zu wahren. Oder wie es in der stadträtlichen Antwort steht „um die gute Behördenzusammenarbeit“ nicht zu gefährden, wurde der Entscheid der Sozialbehörde im Nachhinein gutgeheissen. Wir stellen fest:

  1. Sozialbehörde und Sozialvorstand haben klare Kompetenzüberschreitungen begangen: Sie dürfen nicht über Vereinsmitgliedschaften der Stadt Dübendorf entscheiden oder zu sozialpolitischen Grundsatzthemen Stellung nehmen.
  2. Vom Stadtrat wird diese Kompetenzüberschreitung weder geahndet noch korrigiert.
  3. Der Gesamtstadtrat hätte mehrheitlich nicht für einen Austritt aus der SKOS gestimmt und hat offensichtlich auch nicht die allgemeinen Aussagen der Behörde zur Sozialhilfe geteilt.
  4. Die nachträgliche Absegnung des Entscheids der Sozialbehörde ist ein Kniefall des Gesamtstadtrates vor dem Sozialvorstand. Damit wird auch eine gesamtschweizerische SVP-Strategie zu Denunzierung der Sozialhilfe, die national organisiert und konzertiert wurde, von unserem Stadtrat belohnt. Dübendorf ist eine von drei Gemeinden in der Schweiz, wo der SVP dies gelungen ist.
  5. Der SKOS-Austritt von Dübendorf hat zwar materiell keine unmittelbaren Auswirkungen, da die SKOS-Richtlinien vom Kanton vorgeschrieben werden und eingehalten werden müssen. Die deklamatorische Wirkung gegen aussen war aber beträchtlich.

Die Informationslecks und die Kompetenzüberschreitung des Sozialvorstands zeigen: Die Kommunikation innerhalb des Stadtrates ist schwer gestört. Für die „gute Behördenzusammenarbeit“ wäre es wohl besser gewesen, die Probleme auf den Tisch zu legen, die Sozialbehörde und den Sozialvorstand zurückzupfeifen und eine eigene Strategie zur Sozialhilfepolitik zu formulieren. Die rot-grüne Fraktion ist nicht zufrieden mit der Antwort des Stadtrats. Der Stadtrat soll die Gelegenheit erhalten, seinen Entscheid zu korrigieren und seine eigene Sicht der Dinge darzulegen. Wir bleiben deshalb an diesem Thema dran.

Stadtpräsident Lothar Ziörjen: Genau diese gestellte Frage, der Friede zwischen zwei Behörden oder Streit zwischen zwei Behörden vs. des Preises. Der Preis ist der, dass man eigentlich am Schluss auf kein anderes Ergebnis gekommen ist. Das heisst, die SKOS-Richtlinien müssen angewendet werden. Das ist ein wichtiger Punkt. Der Stadtrat hat aufgrund des Entscheides, den die Sozialbehörde vorweg getroffen hat, materiell nichts anderes entschieden. Das ist ein entscheidender Punkt. Wenn wir einen materiellen Entscheid hätten treffen müssen, dann hätte der Stadtrat allenfalls eine andere Haltung einnehmen müssen, mit allen Folgen wie bspw. der Rechtsweg, Streitigkeiten etc., die sich darauf ergeben hätten. Da materiell nichts zu entscheiden war, hat der Stadtrat die momentane Situation so bestätigt. Ich komme auch gerne nochmal auf dieses Thema zurück, denn ich weiss, dass zu dieser Thematik auch in der Fragestunde nochmals gesprochen wird. Wenn der Gemeinderat damit einverstanden ist, würde ich alle Fragen gerne bei diesem Traktandum behandeln.

Sozialvorstand Kurt Spillmann: Ich spreche hier als Präsident der Sozialbehörde und darum in deren Sinne. Ich bin erstaunt, dass der Interpellant sagt, die Kommunikation zwischen der Sozialbehörde und dem Stadtrat sei schwer gestört. Es würde mich wundernehmen, woher sie diese Informationen haben, denn in den letzten 11 Jahren hatte ich das Vergnügen nie, sie an einer Stadtratssitzung begrüssen zu dürfen. Ich bitte sie darum, bei solchen Behauptungen jeweils konkret zu werden. Die Kommunikation kann immer verbessert werden. Bisher fanden zweimal jährlich Treffen zwischen dem Stadtrat und der Sozialbehörde statt. Diese Treffen dienen dem Informationsaustausch zwischen den beiden Behörden. Häufigere Treffen sind im Moment nicht geplant. Wenn dies jedoch gewünscht wird, ist die Sozialbehörde absolut offen dafür. Was jedoch die Kommunikation von Beschlüssen der Sozialbehörde betrifft, wird die gängige Praxis ohne wann und aber fortgesetzt. Die Sozialbehörde ist von Amtes wegen der Schweigepflicht unterstellt. Alle Sitzungsteilnehmer sind verpflichtet, über Amts- und Dienstangelegenheiten die Verschwiegenheit zu wahren. Das heisst, dass Geschäfte, wenn überhaupt, erst dann kommuniziert werden, wenn sie bereits beschlossen wurden. Verletzungen des Amtsgeheimnisses sind strafbar. Dies ist auch im Geschäftsreglement unter dem Art. 17 nachzulesen. Ich möchte mich aber heute auch noch zu der Kompetenz äussern. Die Sozialbehörde hatte es sogar auf die Titelseite des Anzeigers von Uster geschafft. Störend und journalistisch alles andere als professionell ist, wenn man den betroffenen Behörden vor der Veröffentlichung keine Chance zur Stellungnahme gibt. Einigermassen beruhigend war es aber trotzdem, dass wir in Dübendorf mit dem Glattaler noch ein Printmedium haben, welches sich in dieser Angelegenheit fair und regelkonform verhalten hatte. Die Sozialbehörde Dübendorf hat bei der Beratung zu diesem Geschäft selbstverständlich als erstes angeordnet, dass die Kompetenz abgeklärt wird. Sie kam jedoch auf ein anderes Resultat als das vom Interpellanten zitierte Gutachten. Bei der SKOS handelt es sich um einen Fachverband nach Art. 60 ZBG. Dies steht auch so in den Statuten der SKOS. Dieser privatrechtliche Verein betrifft den Bereich Fürsorge. Dadurch steht es ausser Frage, dass die Sozialbehörde den Beitritt bzw. den Austritt erklären dürfe. Im Artikel 4 der gleichen Statuten ist nachzulesen, dass die Mitgliedschaft den Organe und Institutionen der öffentlichen Sozialhilfe von Gemeinden offen stehe. Anhand von diesen Statuten hat dann die Sozialbehörde dazumals auch am 25.01.1996 den Beitritt in diese SKOS erklärt. Ebenso haben wir dann am 30.05.2013, unter der Einhaltung von sechs Monaten Kündigungsfrist, den Austritt erklärt. Dieser Austritt wurde bestätigt, mit dem Hinweis, die Kündigung sei rechtskräftig. Er frage sich aufgrund dieser Tatsachen, wo genau denn die Sozialbehörde ihre Kompetenz verletzt haben solle. Wenn wir davon ausgehen würden, dass das Guthaben oder die Abklärungen Recht hätten, dann wären die Statuten der SKOS falsch und somit rechtlich nicht verbindlich. Dann wäre von Anfang an in dieser SKOS-Geschichte alles schief gegangen Dann hätte die Sozialbehörde im Jahr 1996 keine Befugnis gehabt, diese Mitgliedschaft zu beschliessen. Bis heute, immerhin seit 17 Jahren, hat aber nie jemand etwas bemängelt. Im Weiteren kann ich ihnen sagen, dass von vielen Gemeinden im Kanton Zürich die Mitgliedschaft in der SKOS durch die jeweilige Sozialbehörde beschlossen wurde. Die Sozialbehörde ist nach wie vor überzeugt, dass sie rechtmässig als Mitglied beigetreten und auch wieder ausgetreten ist. Der Vorwurf der Kompetenzüberschreitung weist die Sozialbehörde Dübendorf in aller Form zurück.

Andrea Kennel (SP/Juso/Grüne): Kurt Spillmann verlangte ein Beispiel, wo der Eindruck entstanden sei, dass die Kommunikation zwischen der Sozialbehörde und dem Stadtrat gestört sei. Er selbst hat dies gerade geliefert. Der Stadtrat hat, unabhängig von unseren Abklärungen, festgestellt, dass der Austritt nicht in der Kompetenz der Sozialbehörde gewesen wäre. In aller Öffentlichkeit vor dem Gemeinderat kommt der Präsident der Sozialbehörde und stellt dies in Frage. Ist das wirklich eine Kommunikation, die nicht gestört ist?

Hans Baumann, Gemeinderat SP, Fraktion SP/Juso/Grüne

Die Interpellation und die Antwort des Stadtrates können Sie hier herunterladen.