Die Politik steckt in Bezug auf Mobilfunkanlagen in einem Dilemma: Einerseits wird sie sich der gesundheitlichen Risiken von Funkstrahlung zunehmend bewusst und kann diese in ihrem Handeln nicht mehr ignorieren. Andererseits sieht sie das breite Bedürfnis für mobile Kommunikation in der Bevölkerung. Es gibt heute aber bereits konzeptionelle, organisatorische, regulatorische und technische Möglichkeiten, um das gesundheitliche Risiko der steigenden Strahlenbelastung zu reduzieren ohne auf mobile Kommunikation zu verzichten. Neue Technologien kombiniert mit Glasfasernetzwerken werden in Zukunft Funkstrahlung massiv reduzieren. Heutige Mobilfunkansätze könnten zum Auslaufmodell werden. Wie das Beispiel der geplanten, sehr gross dimensionierten Anlage in Gockhausen zeigt, führen solche Projekte oft zu grosser Unruhe und Besorgnis in der Bevölkerung.

Die Stadt Dübendorf ist gemäss Polizeiverordnung Art. 10 (Immissionsschutz Grundsatz) verpflichtet, übermässige Immissionen zu vermeiden. Unvermeidbare Einwirkungen sind im Rahmen der Vorsorge soweit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Güterabwägung. Ist es richtig, eine neue Mobilfunkantenne in gut erschlossene Wohnquartiere zu stellen, damit das „immer schneller“ der Mobilfunkanbieter möglich wird? Zitat eines Anbieters letzte Woche: „Mit den neuen Natel-Datenpaketen surfen Sie jetzt bis zu 6x schneller!“ Würde nicht einfach eine Grundabdeckung reichen? Die Antennendichte und -Ieistungen, welche für Gespräche und SMS nötig sind, betragen nur einen kleinen Bruchteil dessen, was für die mobile Unterhaltung via Internet (streaming von Musik, TV und Filmen etc.) benötigt wird.

In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:

Grüne: Im Kantonalen Richtplan wird verlangt, dass Kommunikationssysteme mit den Bedürfnissen in den einzelnen Gebieten und der gewünschten Siedlungsentwicklung abgestimmt sein müssen. Wie wird die Stadt Dübendorf diesem Artikel gerecht, wenn es um eine Bewilligung einer Antenne in einem Wohnquartier geht?

Stadtrat: Wie im Kantonalen Richtplan, Kap. 5.5 Kommunikation, vollständig zitiert, sollen Kommunikationssysteme „mit den Bedürfnissen in den einzelnen Gebieten und der gewünschten Siedlungsentwicklung abgestimmt sein, wobei grundsätzlich eine flächendeckende Grundversorgung zu gewährleisten ist. Kommunikationsanlagen sind möglichst innerhalb der Bauzonen zu realisieren oder in bestehende Bauten und Anlagen zu integrieren oder an diese anzugliedern.“ Mobilfunksendeanlagen ausserhalb des Baugebiets zu erstellen, ist wenig zweckmässig, wenn man bedenkt, dass erstens erhebliches Konfiiktpotenzial mit dem Natur- und Landschaftsschutz besteht, und dass zweitens die Leistung bei der Sendeanlage und beim Empfangsgerät (und damit die Emittierung von Strahlung) erhöht werden müsste, weil die Distanz zwischen Anlage und Nutzer grösser ist.

Mobilfunknetze sind zellulär, mit einer Vielzahl von Funkzellen, aufgebaut. Für den Aufbau des Funknetzes sind die konzessionierten Mobilfunkanbieter zuständig. Grundsätzlich sind die Anbieter dazu verpflichtet, Antennenstandorte gemeinsam zu nutzen resp. den anderen Anbietern die Mitbenutzung zu ermöglichen, Bisher hat sich jedoch gezeigt, dass sich innerhalb der Bauzone eine Mitbenutzung und damit Konzentration an einem Standort nicht immer umsetzen lässt. Wenn der Anlagegrenzwert an einem Ort mit empfindlicher Nutzung bereits durch die Antennen einer Mobilfunkbetreiberin praktisch ausgeschöpft wird, dann besteht kein Spielraum mehr für zusätzliche Antennen einer anderen Anbieterin auf demselben Mast, ausser der Erstbenutzer dieses Standorts würde freiwillig auf einen Teil seiner bewilligten, teilweise mit Reserven versehenen Sendeleistung verzichten.

Aus diesen Überlegungen folgernd kann nicht darauf verzichtet werden, einzelne Mobilfunksendeanlagen auch in Wohnquartieren aufzustellen, um eine Abdeckung in ausreichender Qualität, bei stetig steigender Zahl der Nutzer, zu gewährleisten. Als baurechtlich zu bewilligende Anlage hat auch eine Mobilfunksendeanlage aber immerhin die Anforderungen von §238 PBG (Anforderung an die Gestaltung; befriedigende Gesamtwirkung) zu erfüllen.

Grüne: Inwiefern rechtfertigt eine Grundversorgung immer grössere Datenvolumina?

Stadtrat: Die Versorgung der Bevölkerung mit Mobilfunkdiensten zählt fernmelderechtlich heute nicht zur Grundversorgung. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Grundversorgung, wo der Gesetzgeber qualitative Vorgaben festgesetzt hat. können deshalb für den Bereich Mobilfunk nicht beigezogen werden. Im Gegensatz zur Grundversorgung soll in der Mobilfunkversorgung in der Schweiz so weit als möglich der Markt bzw. die Wettbewerbssituation zwischen den Anbietern spielen und für eine hohe Versorgungsqualität sorgen. Die konkurrierenden Anbieter sind entsprechend bestrebt, die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden bestmöglich zu befriedigen. Die angestrebte Qualität der Mobilfunkversorgung richtet sich vorab nach der Nachfrage im Markt. Die fortschreitende technische Entwicklung der Endgeräte erlaubt eine immer vielfältigere Anwendung der mobilen Funkdienste. Gleichzeitig sind die Anbieter bestrebt, höhere Übertragungskapazitäten bereit zu stellen. Eine Beschränkung ergibt sich für die einzelnen Sendeanlagen aufgrund der umweltrechtlich zulässigen Strahlungsleistungen.

Grüne: Ist der Stadtrat bereit, die Bau- und Zonenordnung mit Ausführungen zu Antennenanlagen zu ergänzen (wie zum Beispiel die Gemeinde Hinwil)? Darin soll u.a. festgehalten werden, dass Mobilfunkanlagen in erster Linie der Quartierversorgung zu dienen haben. Zudem sind Prioritäten bezüglich Standorten notwendig: 1. Priorität: Industrie-, Gewerbe- oder Nicht-Bauzonen (unter Berücksichtigung der kantonalen Gesetzgebung). 2. Priorität: Zone für öffentliche Bauten in denen stark und mässig störende Betriebe zulässig sind. 3. Priorität: Zentrumszone und Wohnzonen mit Gewerbeerleichterung. 4. Priorität: Kernzonen. Die Betreiber müssen entsprechend den Nachweis erbringen, dass in den Zonen mit jeweils höherer Priorität keine Standorte zur Verfügung stehen und dass sie ein Gebiet nicht mit bewilligungsfreien Kleinstfunkzellen versorgen können.

Stadtrat: In der Bau- und Zonenordnung ist eine Prioritätenordnung (sog. Kaskadenmodell) mit der vom Interpellanten vorgenommenen Reihenfolge der Prioritäten, mit Ausnahme der Nicht-Bauzonen, grundsätzlich denkbar. Eine solche Prioritätenordnung ist allerdings nur zulässig, wenn sie raumplanerisch zweckmässig ist und sich als verhältnismässig erweist. Problematisch wird die Anwendung dieses Artikels dort, wo über grössere Siedlungsgebiete Standorte 1. oder 2. Priorität gar nicht vorhanden sind, beispielsweise in Gockhausen. Die Änderung der Bau- und Zonenordnung bedarf der Genehmigung der kantonalen Baudirektion, sie kann ausserdem auf rechtlichem Wege angefochten werden, womit mit jahrelangen Rechtsstreitigkeiten zu rechnen wäre.

Der Stadtrat hat gleichwohl einen Handlungsbedarf bei der Standortauswahl für Mobilfunksendeanlagen erkannt und sich deshalb mit Beschluss vom 26. Februar 2015 dafür ausgesprochen, einem Dialogmodell beizutreten. Dieses Dialogmodell basiert auf einer Vereinbarung über die Standortevaluation und -koordination im Rahmen des kommunalen Baubewilligungsverfahrens, weiche der Kanton Zürich mit den Mobilfunkbetreibern abgeschlossen hat. Die Vereinbarung verpflichtet die Mobilfunkbetreiber, angeschlossene Gemeinden periodisch über Bauvorhaben neuer Mobilfunksendeanlagen zu unterrichten. Daraufhin können die Gemeinden im Dialog mit den jeweiligen Betreibern, in festgelegten Verfahrensschritten, den jeweils bestmöglichen Antennenstandort erarbeiten, bevor ein Baugesuch eingereicht wird.

In diesem Dialogmodell bestehen Möglichkeiten zur frühzeitigen Einflussnahme auf die Standortwahl, was schlussendlich zu besseren, von beiden Seiten akzeptierten Lösungen führen kann. Der Stadtrat will erste Erfahrungen mit dem Dialogmodell abwarten, bevor raumplanerische Massnahmen zur Standortsteuerung von Mobilfunksendeanlagen in Betracht gezogen werden. 

Besten Dank für eine sorgfältige Beantwortung dieser Fragen.

Stefan Kunz, Gemeinderat, Grüne Dübendorf

Die Interpellation und die Antwort des Stadtrates können Sie hier herunterladen.