In Dübendorf existiert die sogenannte Kosodü (Koordination Sozialarbeit Dübendorf), ein loser Verband aller Organisationen, die in Dübendorf sozial tätig sind. An den Sitzungen nehmen unter anderen teil: Vertreterinnen und Vertreter der Landeskirchen, des Kinder- und Jugendzentrums des Kantons Zürich, der Suchtpräventionsstelle, des Familienzentrums, der Kinder- und Jugendarbeit und der Integrationsstelle der Stadt, des Alters- und Spitexzentrums, der Schulsozialarbeit, der KESB und auch der Sozialvorstand. VertreterInnen der Abteilung Soziales der Stadt nehmen offenbar selten an den regelmässigen Austauschsitzungen teil, der Abteilungsleiter und die Leiterin der Sozialhilfe haben mindestens in den letzten drei Jahren nicht teilgenommen.

Die Mitglieder der Kosodü haben oft Hilfesuchende in ihren Institutionen, die in Not sind. Es sind dies Personen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden und die sich alleine nicht mehr zu helfen wissen. Gemäss den Kosodü-Mitgliedern sind das meist einfache Leute, die zum Beispiel eine Trennung hinter sich, die Wohnung verloren oder Schulden haben. Oft sind es Personen mit Migrationshintergrund, aber auch viele Schweizerinnen und Schweizer sind betroffen.

Die Kosodü-Mitglieder bekommen immer wieder Rückmeldung von solchen Personen, dass sie bei der Sozialberatung an der Bettlistrasse abgewimmelt, unfreundlich behandelt oder sogar schikaniert wurden.

Die Stadt ist gemäss §11 des Zürcher Sozialhilfegesetzes verpflichtet, sogenannt „Persönliche Hilfe“ zu leisten in Form von Beratung und Betreuung. Sie kann diese Aufgabe auch delegieren, muss aber finanziell dafür aufkommen. In solch einer niederschwelligen Beratung geht es darum, eine Auslegeordnung zu machen und zu schauen, wie die Personen sich selber helfen können oder wo sie Hilfe bekommen.

Den Mitgliederinstitutionen der Kosodü sind die Hände gebunden, denn sie haben alle einen konkreten Wirkungskreis. In einzelnen Fällen können sie jeweils helfen, in anderen aber wäre der Einsatz der städtischen Sozialhilfe gefragt. Die Mitarbeitenden der Institutionen können aber die Hilfesuchenden nicht mit gutem Gewissen zum Sozialamt schicken, um die „Persönliche Hilfe“ in Anspruch zu nehmen, da sie wissen, dass dort entweder keine oder nur ungenügende Beratung stattfindet und zudem die Hilfesuchenden sehr unfreundlich behandelt werden.

Durch die „Persönliche Hilfe“ kann oft eine negative Entwicklung unterbrochen und unter Umständen eine finanzielle Abhängigkeit vom Sozialamt verhindert werden. Dies bedeutet auch eine Kostenersparnis auf Seiten der Stadt. In den Geschäftsberichten beklagt die Abteilung Soziales Jahr für Jahr eine steigende Anzahl Fälle bei den Sozialhilfebezügern.

In diesem Zusammenhang bitte ich um die Beantwortung folgender Fragen:

Beratung von Personen ohne Sozialhilfe

Grüne: Wieviele Personen wurden in den letzten fünf Jahren beraten, die nicht Sozialhilfebezüger sind?

Stadtrat: Durchschnittlich werden pro Tag am Schalter der Sozialhilfe und telefonisch 5-10 Personen beraten, die keine Sozialhilfe beziehen. Pro Jahr {260 Arbeitstage) beläuft sich die Zahl damit auf plusminus 2000 Beratungen, beziehungsweise rund 8’000 bis 10’000 persönliche oder telefonische Beratungen in den letzten fünf Jahren für Personen, die keine Sozialhilfe beziehen.

Stellungnahme Grüne: Besten Dank für die Beantwortung der Fragen. Gerne nehme ich Stellung zu den Antworten des Stadtrates. Ich nehme in meinem Antworten Bezug auf verschiedene Personen, die im sozialen Bereich tätig sind und die mich in dieser Sache beraten haben.

Das Thema meiner Interpellation ist die sogenannte „Persönliche Hilfe“. Durch in Dübendorf sozial tätigen Personen, wie kirchliche und kantonale Sozialarbeitende, habe ich erfahren, dass das Dübendorfer Sozialamt diese niederschwellige Beratung nicht oder kaum leistet. Alle in Dübendorf wohnhaften Personen, die in eine Notlage geraten, dies kann zum Beispiel ein Schuldenproblem oder auch eine schwere seelische Krise sein, haben gemäss Sozialhilfegesetz Anrecht auf eine Beratung bei der Sozialhilfe. Achtung! Hier geht es nicht um wirtschaftliche Hilfe! Persönliche Hilfe wird zwar auch bei Personen geleistet, die finanziell von der Stadt unterstützt werden, aber darum geht es nicht in meinem Vorstoss.

Sozialarbeitende melden, dass die persönliche Beratung nur ungenügend stattfinde. Die Hilfesuchenden werden ausserdem, gemäss ihren Erfahrungen, auf unfreundliche Art abgewimmelt. Gemäss Stadtrat finden aber häufig Beratungen statt und der Stadtrat will nichts wissen von übermässig vielen Klagen über das Sozialamt. Wem soll ich nun glauben? Im Zuge der Recherche zu diesem Vorstoss stiess ich auf die ausländerfeindlichen Facebook-Posts der Sozialhilfe-Chefin. Als dies von der Presse aufgegriffen wurde, wurden Stimmen laut, dass auf dem Sozialamt unhaltbare Zustände herrschen. Von allen Seiten hörte man Berichte von unfreundlichem bis respektlosem Umgang mit Hilfesuchenden. Das Sozialamt erscheint durch diese Berichte in einem derart schlechten Licht, dass ich misstrauisch bin gegenüber den beschönigenden Antworten im Vorstoss. Gemäss den Antworten ist auf dem Sozialamt alles in bester Ordnung und wer persönliche Hilfe in Anspruch nimmt, bekommt sie auch. Die Antworten machen nicht nur auf mich den Eindruck von Schönfärberei.

Zuerst einmal zur Antwort auf die erste Frage. Offenbar werden regelmässig Personen am Schalter, resp. am Telefon beraten. Eine Beratung am Schalter? Ich habe eine schwere seelische Krise und werde am Schalter beraten? Wo gibt’s denn so was? In der Antwort steht zwar, dass auch Beratungen im Büro statt finden, aber jemand, der gut Bescheid weiss und vom Fach ist, sagt, ohne Formular für Sozialhilfe werde man nicht hineingelassen, sprich: nur wer Sozialhilfebezüger ist. Persönliche Hilfe umfasst in der Regel ein längeres oder mehrere Gespräche, wo eine Auslegeordnung gemacht wird. Dann wird versucht, der hilfesuchenden Person Wege aufzuzeigen, wie es weitergehen kann oder sie wird an weiterführende Beratungsstellen verwiesen. Das findet, gemäss verschiedenen Aussagen, entgegen den Antworten des Stadtrates, auf dem Sozialamt Dübendorf nicht statt.

Persönliche Hilfe

Grüne: Warum ist nichts über „Persönliche Hilfe“ in den Geschäftsberichten der Stadt zu finden?

Stadtrat: Die „Persönliche Hilfe“ ist ein integrierter Bestandteil der umfassenden Sozialhilfe, weshalb diese im Geschäftsbericht bisher nicht separat erwähnt wurde. Ausserdem war dies bis anhin nie ein Thema bzw. wurde eine spezielle Erwähnung der persönlichen Hilfe im Geschäftsbericht bislang nicht gewünscht. Die persönliche Hilfe kann jedoch künftig ohne weiteres in den Geschäftsbericht aufgenommen werden. Eine entsprechende Ergänzung wird erstmals für den Geschäftsbericht 2017 vorgesehen.

Grüne: Wer auf der Sozialhilfe ist zuständig für die „Persönliche Hilfe“ und wie läuft diese jeweils ab? Wird ein Termin mit den hilfesuchenden Personen abgemacht?

Stadtrat: Wie in Antwort 2 bereits erwähnt, bildet die persönliche Hilfe einen wichtigen integrierten Bestandteil der Sozialhilfe. Gestützt auf die gesetzlichen Bestimmungen erfolgt die persönliche Hilfe in Form von Beratung, Stützung, Motivierung. Förderung, Strukturierung des Alltags oder Vermittlung spezieller Dienstleistungen und bildet damit das Bindeglied zwischen materieller Existenzsicherung als Zweck und beruflicher sowie sozialer Integration als Ziel der Sozialhilfe. Alle Mitarbeitenden der Sozialhilfe sind individuell zuständig für die „Persönliche Hilfe“. Persönliche Hilfe erfolgt am Schalter, am Telefon, im persönlichen Gespräch in der Sozialhilfe, in der Arbeitsvermittlung und intensiver im Angebot des Psychologen. Am Schalter und am Telefon erfolgt die persönliche Hilfe über die Beratung, Information und Vermittlung von Adressen sowie/oder von Foigeangeboten. Persönliche Hilfe erfolgt auch im Rahmen von Anfragen von externen Institutionen (Kliniken, Heimen, Anstalten, etc.). Wichtig ist ebenfalls die tägliche Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern Taglohnprojekt (Job-Bus), Suchtberatung, KESB sowie Schuldenberatung etc., die immer auf eine persönliche Hilfeleistung seitens der Sozialhilfe durch persönliche Beratung angewiesen sind und entsprechend vollumfänglich bedient werden. Bei umfassenden und komplexen Problemstellungen wird ein Besprechungstermin vereinbart, um die Sachlage genauer zu überprüfen. In einzelnen persönlichen Beratungsfällen wird bei möglicher Abwendung einer Notlage mit einer finanziellen Unterstützung die Sozialhilfeabhängigkeit verhindert. Zusätzlich wird individuell in einem Beratungsprozess die Arbeitsvermittlung Dübi-Jobs sowie bei Bedarf die psychologische Beratung ergänzend hinzugezogen. Das Prinzip der Individualisierung verlangt, dass Hilfeleistungen jedem einzelnen Fall angepasst sind und sowohl den Zielen der Sozialhilfe im Allgemeinen als auch den Bedürfnissen der betroffenen Person im Besonderen entsprechen. Basis dazu bilden eine systematische Abklärung der wirtschaftlichen, persönlichen und sozialen Situation der hilfesuchenden Person und der daraus abgeleitete Hilfsplan. Die Sozialhilfeorgane sind verpflichtet, den Betroffenen solche Hilfe anzubieten, die sie in den Stand setzt, eine Notlage abzuwenden oder ihre Situation selbständig zu verbessern bzw. zu stabilisieren (Hilfe zur Selbsthilfe).

Stellungnahme Grüne: Dann habe ich kritisiert, dass nichts über persönliche Hilfe im Geschäftsbericht geschrieben steht. Der Stadtrat will es im nächsten Geschäftsbericht anders machen. Da erwarte ich, dass in der Statistik unterschieden wird: Wieviele Personen wurden beraten mit wirtschaftlicher Hilfe und wieviele ohne.

Teilnahme Sozialamt an Kosodü

Grüne: Warum nimmt selten jemand vom Sozialamt an den Kosodü-Sitzungen teil, abgesehen vom Sozialvorstand?

Stadtrat: In den vergangenen Jahren haben nebst dem Sozialvorstand teilweise der Leiter Soziales und der Psychologe an den Kosodü-Sitzungen teilgenommen. Unter Berücksichtigung der angemeldeten Themen war die Abteilung Soziales durch verschiedene Personen jeweils adäquat an den Sitzungen vertreten. Die Abteilung Soziales ist jedoch gerne zu einer Diskussion über die künftige Form der Kosodü-Sitzungen und die notwendige Vertretung der Abteilung Soziales bereit.

Stellungnahme Grüne: Unverständlich ist für mich, warum das Sozialamt keine aktivere Rolle spielt in der Kosodü (Koordination Sozialarbeit Dübendorf). Müsste nicht der Abteilungsleiter grösstes Interesse an diesem Netzwerk haben? Alle im sozialen Bereich ziehen an einem Strick, Synergien können genutzt werden, man kann sich austauschen – ein solches Netzwerk bietet viele Möglichkeiten. Der Abteilungsleiter müsste doch der Leiter der Sitzungen sein! Hier wird eine riesige Chance nicht genutzt. Könnte der Stadtrat nicht den Abteilungsleiter für die Leitung der Sitzungen beauftragen?

Diskriminierung im Sozialamt

Grüne: Hat der Stadtrat Kenntnis davon, dass Hilfesuchende bei der Sozialhilfe abgewiesen und unfreundlich bis respektlos behandelt werden?

Stadtrat: Dem Stadtrat sind einzelne Fälle bekannt, in denen sich Einwohnerinnen und Einwohner von der Sozialhilfe Dübendorf nicht korrekt behandelt fühlten. Die beim Stadtrat deponierten Reklamationen sind jeweils zur Abklärung und Stellungnahme an die zuständige Abteilung Soziales weitergeleitet worden. 

Grüne: Wenn ja, warum unternimmt er nichts dagegen?

Stadtrat: Der Stadtrat hat in der Vergangenheit im Rahmen seiner Möglichkeiten die einzelnen Reklamationen bei der Abteilung Soziales deponiert und eine Stellungnahme verlangt. Die Anzahl der Meldungen lagen jedoch nicht in einem Bereich, die weitere Massnahmen notwendig gemacht hätten. Im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Sozialhilfe Dübendorf Ende 2016 hat der Stadtrat per 5. Dezember 2016 zusätzlich eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet, an die sich die Einwohnerinnen und Einwohner, die sich von einer Abteilung der Stadtverwaltung unkorrekt behandelt fühlen, wenden können. Der Stadtrat ist überzeugt, dass damit für die Kundinnen und Kunden der Stadtverwaltung Dübendorf eine zentrale Anlaufstelle in geeigneter Form geschaffen werden konnte.

Kostenersparnis durch Persönliche Hilfe

Grüne: Ist dem Stadtrat bewusst, dass die „Persönliche Hilfe“ Kosten bei der Sozialhilfe einsparen kann? Kann der Stadtrat etwas unternehmen, um die steigenden Kosten bei der Sozialhilfe auf diese Art in den Griff zu kriegen?

Stadtrat: Der Stadtrat ist sich der Bedeutung der „Persönlichen Hilfe“, wie sie von der Sozialhilfe Dübendorf gemäss vorstehender Ausführungen geleistet wird, durchaus bewusst. Die Ausgaben der Sozialhilfeleistungen bewegen sich in den vergangenen Jahren in Dübendorf konstant tief und auf einem geringen Niveau im Vergleich mit anderen, in der Grösse vergleichbaren Gemeinden, die seit Jahren kontinuierlich stark steigende Ausgaben aufweisen in diesem Bereich. Zurückzuführen sind diese konstant tiefen Zahlen in Dübendorf u.a. auf eine sehr gute umfassende, strukturierte und professionelle Sozialhilfe. Es werden alle gesetzlichen Vorgaben abgedeckt, sowohl in der wirtschaftlichen als auch in der persönlichen Hilfe. Zudem werden mit den zusätzlichen eigenen Dübendorfer Dienstleistungen, wie Dübi-Jobs und psychologischer Beratung vor Ort seit Jahren zusätzliche Projekte angeboten, die landesweit Beachtung finden und sich erfolgreich für Sozialhilfebezüger und Steuerzahler auswirken. Mit der Philosophie der Sozialhilfe Dübendorf stehen nicht primär die Defizite der Hilfesuchenden im Vordergrund, sondern ihre Stärken und Ressourcen, die es von staatlicher Seite zu unterstützen und zu fördern gilt. Die Sozialhilfe beschäftigt sich im Rahmen des kontinuierlichen Veränderungsprozesses stetig mit diesem Thema und ist der Meinung, mit zusätzlichen personellen Ressourcen das bestehende Angebot nach Bedarf noch ausbauen zu können, um den wachsenden komplexen gesellschaftlichen Problemstellungen mit umfassender Beratung zur Verfügung zu stehen.

Stellungnahme Grüne: Der Stadtrat schreibt, Dübendorf habe konstant tiefe Ausgaben bei den Sozialhilfeleistungen im Vergleich mit anderen Gemeinden. Er führt dies vor allem zurück auf „eine sehr gute umfassende, strukturierte und professionelle Sozialhilfe.“ Im Bereich der persönlichen Hilfe würde ich eher von „Nicht-erfüllen des Auftrages“ sprechen. Indem man Hilfesuchende abwimmelt, werden natürlich auch Kosten gespart. Aus meiner Sicht aber nur kurzfristig. Wer die benötigte Hilfe zur Selbsthilfe nicht bekommt, kann gefährdet sein, in die Sozialhilfe abzurutschen und dann wird es ja bekanntlich für die Stadt richtig teuer. Der Stadtrat betont, es werden alle gesetzlichen Vorgaben abgedeckt…auch in der persönlichen Hilfe. Diese Aussage stimmt wohl einfach schlicht nicht.

Ich danke für die sorgfältige Beantwortung meiner Fragen.

Flavia Sutter Gemeinderätin SP/Grüne

Sie können die Interpellation hier herunterladen.