Das Postulat wurde mit 22 zu 13 Stimmen aufrechterhalten.
Antwort des Stadtrates
Das Postulat Flavia Sutter (GP) und 9 Mitunterzeichnende betreffend „Schutz der Artenvielfalt“ wird wie folgt beantwortet:
Aktueller Stand
Der Stadtrat stimmt mit dem Grundanliegen der Postulanten überein, dass der Erhaltung und Förderung von naturnahen Flächen zur Erhaltung der Biodiversität eine wichtige Bedeutung zukommt.
lm Landwirtschaftsgebiet der Stadt Dübendorf ist eine ganzheitliche und systematische Erhaltung und Förderung von Biodiversitätsflächen dank dem lnstrument des Vernetzungsprojekts möglich. Ein Vernetzungsprojekt hat zum Ziel, die natürliche Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern, indem Biodiversitätsförderflächen (BFF) zu Gunsten ausgewählter Arten angelegt, aufgewertet und entsprechend gepflegt werden. Gestützt auf Artikel 61 der Direktzahlungsverordnung zahlt der Bund Beiträge für Biodiversitätsförderflächen (BFF), die in einem vom Kanton genehmigten Vernetzungsprojekt bezeichnet sind. Durch diesen finanziellen Anreiz sollen die Landwirte motiviert werden, ihre Biodiversitätsförderflächen an ökologisch sinnvollen Orten anzulegen und entsprechend zu bewirtschaften. Ein Vernetzungsprojekt definiert quantitative und qualitative Umsetzungsziele. Die Umsetzungs- und die Wirkungskontrolle ist geregelt. Vernetzungsprojekte werden von den einzelnen Gemeinden erarbeitet und von der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich genehmigt und deren Umsetzung begleitet und überwacht.
Seit 2006 besitzt die Stadt Dübendorf ein solches Vernetzungsprojekt, mittlerweile befindet sich dies in der 3. Generation resp. Umsetzungsphase (2018-2025). 7 der 10 beitragsberechtigten Dübendorfer Landwirte nehmen aktiv am Vernetzungsprojekt teil und pflegen einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Ökoflächen. Rund 95 ha werden als extensiv genutzte Wiesen, Weiden, Buntbrachen, Hecken, Streueflächen etc. genutzt. Dazu kommen noch über 1’100 Hochstamm-Feldobstbäume und Einzelbäume. Der Anteil der angemeldeten ökologischen Ausgleichsflächen entspricht damit fast 20% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Stadt Dübendorf und liegt über dem kantonalen Durchschnitt (17.1%). Seit 2012 konnten die BFF kontinuierlich von 85 auf 95 ha gesteigert werden, ebenso die ökologisch besonders wertvollen Flächen (Qualitätsstufe ll) von 38 auf 44ha, was den erfolgreichen Einsatz dieses lnstruments belegt. ln diesem Bereich drängen sich aus Sicht des Stadtrats derzeit keine weiteren Massnahmen auf.
lnnerhalb des Siedlungsgebiets kann die Erhaltung und Förderung von Biodiversitätsflächen weniger systematisch erfolgen, weil die Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand insgesamt geringer sind. Grosse Einflussmöglichkeiten bestehen entlang den öffentlichen Gewässern. Hier kommt den Massnahmen zur Revitalisierung eine hohe Bedeutung zu. Im kantonalen und im regionalen Richtplan sind die prioritären Revitalisierungsabschnitte bezeichnet, welche bis 2030 realisiert werden sollen. lm Postulatstext bereits erwähnt ist die geplante Freilegung des Chrebsschüsselibachs auf dem Gebiet des lnnovationsparks, ebenso laufen grosse Bestrebungen zur Revitalisierung der Glatt und zur Aufwertung des Glattraums und Schaffung eines Naherholungsgebiets im Abschnitt zwischen Kunsteisbahn lm Chreis und Oberer Mühle.
Grosse Einflussmöglichkeiten bestehen auch bei den Grünflächen im städtischen Eigentum, für welche überwiegend die Bereiche Stadtgärtnerei, Unterhaltsdienste und Friedhof aus der Abteilung Tiefbau zuständig sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden sich bereits in regelmässigen Kursen und Schulungen, beispielsweise zur korrekten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, zur Neophytenbekämpfung oder zur Pflege von Hecken und Wiesen weiter. Punktuell werden auch spezialisierte Firmen und Organisationen zur Beratung und zur Erfolgskontrolle bei wichtigen Flächen beigezogen. Dem Grundsatz einer naturnahen, schonenden und biodiversitätsfördernden Bewirtschaftung der Flächen wird bereits nachgelebt.
Schwieriger ist die Einflussnahme bei Flächen auf Baugrundstücken in Privatbesitz. Allgemeine gesetzliche Vorschriften, welche private Eigentümer zum Erhalt oder zur Schaffung von naturnahen Flächen zu verpflichten, fehlen. Bei der Neuerstellung von Grossprojekten und Arealüberbauungen, bei welchen eine sehr gute Gestaltung der Bauten und des umgebenden Freiraums verlangt wird, kann immerhin ein bestimmtes Mass an naturnah gestalteten Flächen eingefordert werden. Gesamthaft betrifft dies aber nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Siedlungsfläche Dübendorfs. lm Rahmen der angelaufenen Gesamtrevision der Ortsplanung kommt dem Thema „Aufwertung von Freiräumen und Umgebungsgestaltung im Siedlungsgebiet“ eine hohe Bedeutung zu; ein Grundgerüst von städtischen Freiräumen und Verbindungen soll etabliert werden, zudem wird der rechtliche Spielraum geprüft, um von Bauherren verstärkt eine höhere Qualität in der Gestaltung des Aussenraums zu verlangen und gleichzeitig den Anteil an versiegelter Fläche zu reduzieren.
Die Stadt ist in diesem Bereich dennoch weitgehend auf den Willen und die Mitarbeit von privaten Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern angewiesen, ein Schwerpunkt liegt somit auf Methoden der Beratung und Sensibilisierung. Im Vertrag mit der mandatierten Naturschutzberaterin der Stadt Dübendorf, Käthy Angele, ist festgehalten, dass zum Mandat auch die Beratung und Information von Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern zählt mit dem Ziel, naturnahe Flächen zu erhalten und zu schaffen. Beratungsaufgaben wurden in den letzten Jahren von der Naturschutzberaterin, mangels Anfragen, jedoch kaum durchgeführt.
Massnahmenvorschlag
lnnerhalb des Siedlungsgebiets ist es möglich, gewisse zusätzliche Massnahmen zur Förderung der Biodiversität zu ergreifen. Diese werden in Form zweier Module mit unterschiedlichem Schwerpunkt vorgeschlagen.
Modul 1: Verstärkte lnitialberatung an Grundeigentümer(lnnen) durch Naturschutzberaterin
Die Beratung und Wissensvermittlung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer im Bereich naturnahe Gestaltung und Biodiversität soll intensiviert werden. Wie bereits erwähnt ist ein entsprechender Beratungsauftrag bereits im Pflichtenheft der Naturschutzberaterin vorhanden. Vielen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern ist die Möglichkeit einer lnitialberatung aber vermutlich nicht bekannt. Bei dieser kann die Naturschutzberaterin an einer kurzen Begehung vor Ort das Potential einer Fläche für naturnahe Gestaltung abschätzen und erste ldeen vorschlagen. Die weitere Umsetzung ist dann Sache des/der Grundeigentümers/-in. Mittels kommunikativer Massnahmen, u.a. auf der städtischen Homepage, soll das Angebot besser bekannt gemacht werden. Auch ist es denkbar, seitens Hochbauamt bei Beratungen von Bauherren das Angebot aktiv und kostenfrei zu vermitteln. Der im Mandat festgeschriebene jährliche Arbeitsaufwand der Naturschutzberaterin (derzeit 120 Stunden/Jahr) ist jedoch auszuweiten und der Vertrag entsprechend anzupassen. Die jährlich anfallenden Mehrkosten betragen geschätzt Fr 3’000. Jahr.
Modul 2: Neues Verwaltungsreglement über die naturnahe Pflege und Bewirtschaftung städtischer Grün- und Freiflächen
Die Stadt Zürich, welche mit Begehren seitens der politischen Gremien für die verstärkte Förderung der Biodiversität konfrontiert war, hat gute Erfahrungen mit der Erstellung eines städtischen Reglements gemacht, welches die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, die Grün- und Freiflächen verwalten und pflegen, zu Grundsätzen im Umgang mit diesen verpflichtet, beispielsweise zum weitgehenden Verzicht auf Dünger. Wie obenstehend bereits erwähnt, tragen die Bereiche Stadtgärtnerei, Unterhaltsdienste und Friedhof mit ihrer Arbeit bereits heute zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität auf städtischen Grün- und Freiflächen bei. Mit der Erarbeitung eines städtischen Verwaltungsreglements könnten diese Bemühungen in ein verbindliches Dokument mit Anordnungen für die Verwaltungsmitarbeitenden gegossen werden. Die Erarbeitung eines entsprechenden Reglements für die Stadt Dübendorf kann verwaltungsintern mit Unterstützung der Naturschutzberaterin erfolgen. Es können jedoch zusätzliche, aktuell noch nicht genau bezifferbare finanzielle und/oder personelle Ressourcen bei den ausführenden Abteilungen/Bereichen der Stadtverwaltung, insbesondere bei den Unterhaltsdiensten und bei der Stadtgärtnerei, entstehen. Diese zusätzlichen Ressourcen sind spätestens zusammen mit der Genehmigung des neuen Reglements durch den Stadtrat zu bewilligen.
Geprüft hat der Stadtrat auch die Einführung eines Förderprogramms mit Beiträgen an Private für die naturnahe Aufwertung ihrer Freiflächen sowie die Durchführung einer flächendeckenden Kartierung und ökologischen Bewertung aller relevanten Freiflächen innerhalb des Siedlungsgebiets (Biotoptypenkartierung). Der Stadtrat erachtet jedoch die Wirksamkeit dieser beiden Massnahmen im Verhältnis zum entstehenden Kosten- und Ressourcenbedarf als zu wenig gegeben, weshalb er auf deren Umsetzung zum jetzigen Zeitpunkt verzichtet.
Die Umsetzung der vorstehend dargelegten Module 1 und 2 wird dem Gemeinderat vorgeschlagen. Voraussetzung für die Umsetzung ist die Aufrechterhaltung des Postulats durch den Gemeinderat. Die Module sollen dazu beitragen, dass der Anteil von naturnahen Flächen und deren Qualität im Siedlungsgebiet erhalten oder erhöht werden kann. Zusätzlich könnten einzelne gezielte Aufwertungsprojekte zur Förderung der Biodiversität im Rahmen eines Klimaprojekte-Massnahmenpakets, wie in der Motion „Verwendung der ZKB-Sonderdividende für Klimaprojekte“ (GR-Geschäft Nr. 149/2019) gefordert, zum Thema werden.
Dem Gemeinderat wird beantragt, das Postulat “ Schutz der Artenvielfalt“ aufrecht zu halten
Stellungnahme Grüne
Besten Dank an den Stadtrat für den Bericht und die Anträge zu unserem Postulat.
Der Stadtrat schlägt in seiner Antwort zwei Massnahmen vor:
- Aktivere Beratung von Bauherrschaften vonseiten der Naturschutzbeauftragten.
- Ein Verwaltungsreglement erstellen, das die betreffende Abteilung der Stadt verpflichtet, die Grünflächen ökologisch zu bewirtschaften.
Wir finden diese Massnahmen gut! Die Grünen sind selbstverständlich für die Aufrechterhaltung des Postulates und hoffen darauf, dass auch die anderen Fraktionen den geplanten Massnahmen zustimmen und für die Aufrechterhaltung stimmen.
ABER: Dübendorf sollte weiter gehen. Dübendorf hat viel mehr Möglichkeiten, als nur diese zwei Massnahmen und wir wagen zu behaupten, dass dies auch politisch möglich ist und eine Mehrheit findet.
Hier einige Möglichkeiten, die aus unserer Sicht Sinn machen und wirkungsvoll sind:
Die Revision der Bau- und Zonenordnung steht an, hier ist es wichtig, dass Fachleute aus dem Naturschutz beigezogen werden, denn die Bau- und Zonenordnung ist ein sehr gutes Instrument zur Biodiversitäts-Förderung in einer Gemeinde. Sie definiert die Vorgaben und Bedingungen, unter welchen gebaut und geplant wird. Die Förderung der Biodiversität soll verbindlichen Eingang finden in die Planungs- und Bauvorhaben. Die revidierte Bau- und Zonenordnung soll zum Beispiel definieren, wieviel Anteil naturnahes Gelände in Dübendorf existieren soll, Flächen, die der Erholung der Bevölkerung, sowie als Lebensraum für einheimische Tiere und Pflanzen dienen. Kann die vorgeschlagene Massnahme des Stadtrates, Bauherrschaften aktiv zu beraten, auch in der BZO verankert werden? Weitere Themen, die unbedingt in die BZO gehören: Baum- und Biotopschutz, Auflagen zu Lichtemissionen, Auflagen zur Flachdachbegrünung und Vorgaben zu Glas am Bau.
Die Natur- und Landschaftsschutzkommission (NLK) in Dübendorf ist ein zahnloser Tiger. Diese Kommission muss unbedingt gestärkt werden: Sie muss mit gewählten Fachleuten besetzt werden. Die Kommission soll Budgetkompetenz haben. Sie sollte ein Leitbild „Biodiversität“ erarbeiten und gemäss diesem Leitbild strategisch planen, in enger Zusammenarbeit mit der Naturschutzbeauftragten.
Wichtig ist auch, das Thema Biodiversität/Natur vermehrt in den Schulen einzubringen. In Form der Naturwoche geschieht das schon alle vier Jahre. Das ist eine super Sache. Kinder brauchen direkte Naturerfahrungen, damit sie später zu Naturschützern werden.
Die Stadt muss solche Angebote nicht selber entwickeln, sie kann die Schulen darin unterstützen, dass sie von Angeboten profitieren können. Pusch (Praktischer Umweltschutz Schweiz), Aquaviva und WWF beispielsweise haben solche Bildungsangebote: Bekommen die Schulen in Dübendorf dazu Finanzierungsunterstützung?
In seiner Antwort schlägt der Stadtrat vor, dass die Naturschutzbeauftragte der Stadt aktiv auf Bauherrschaften zu geht, um sie zu beraten. Das ist sicher eine gute Idee, aber auch hier müsste die Stadt aus unserer Sicht weiter gehen.
Die Stelle der Naturschutzbeauftragten soll ausgebaut werden. Die Naturschutzbeauftragte müsste überall dort involviert werden, wo es um die Erhaltung und Förderung der Biodiversität geht. Sie soll Baugesuche prüfen. Zum Beispiel: Wenn ein altes Einfamilienhaus abgerissen werden soll, soll sie prüfen, ob Fledermäuse oder andere schützenswerte Tiere das Haus bewohnen. Sie soll weitere Initiativen betreffend Erhaltung und vor allem auch Förderung der Biodiversität im Siedlungsraum entwickeln, in Zusammenarbeit mit der NLK.
Momentan ist die Naturschutzbeauftragte für 120 Stunden pro Jahr angestellt, das sind gerade mal drei Wochen. Mindestens eine 30%-Stelle braucht es, um den Naturschutz in der Stadt wirksam zu fördern, in Zusammenarbeit mit der erwähnten Natur- und Landschaftsschutzkommission.
Der Naturschutzverein Dübendorf (NVD) ist aktiv und bewirkt viel Gutes in unserer Stadt. In letzter Zeit hat der NVD beispielsweise die Naturschutzbeauftragte auf eine schützenswerte Teichlandschaft an der Überlandstrasse beim ehemaligen HP-Gebäude hingewiesen. Oder dank dem NVD verfügte die Stadt auf einem Grundriss einen Baustopp wegen einer Waldohreulen-Brut. Diese konnte mit einfachen Massnahmen gerettet werden. Aber ein Verein besteht aus Freiwilligen, die nicht unbegrenzt Zeit haben. Darum: Ausbau der Stelle der Naturschutz-Beauftragten.
In seiner Antwort schreibt der Stadtrat, dass die Stadt im Bereich der Gewässer-Renaturierung grossen Einfluss hat. Hier dazu noch ein Hinweis: Zurzeit ist die Natur-Initiative im Kantonsrat in Diskussion: Eine kantonsrätliche Kommission hat den Vorschlag des Regierungsrates nochmals angepasst, dieser sollte noch dieses Jahr vom Kantonsrat verabschiedet werden. Offenbar stehen die Chancen gut, dass der Kantonsrat diesem Gegenvorschlag mit einer grossen Mehrheit zustimmt. Der Gegenvorschlag bewirkt, dass vom Kanton mehr Geld für die Förderung der Biodiversität zur Verfügung gestellt wird. Für Revitalisierungen von Gewässern stünden jährlich 5 Mio. zur Verfügung. Da muss die Stadt bereitstehen und sobald als möglich Projekte einreichen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Flavia Sutter, Julian Croci, Gemeinderäte Grüne
5. Oktober 2020 um 17:51 Uhr
Liebe Grüne,
erst mit etwas Verspätung habe ich dieses Dokument durchgelesen. Ich bin mit euren Schlussfolgerungen zu 100 % einverstanden. Die NLK braucht dringend einen Energieschub; sie sollte aufgestockt werden mit qualifizierten Fachleuten. Zudem ist es ein Gebot der Stunde, das Pensum der Naturschutzbeauftragten markant zu erhöhen. Bietet nicht die kommende Budgetberatung die Gelegenheit dazu ?
Eine Korrektur habe ich aber auch noch anzubringen: Bereits heute werden Baugesuche bezüglich Nistplätzen von Schwalben und Mauerseglern unter die Lupe genommen. Zudem ist geplant, im kommenden Jahr eine erneute Inventarisierung dieser Nistplätze durchzuführen, dies auf eine Initiative von Käthy Angele hin.
Mit herzlichem Gruss
Hansruedi Schwarzenbach