Einführung
In Dübendorf liegt der Anteil der fremdsprachigen Schulkinder, deren Umgangssprache nicht Deutsch ist und die deshalb auf zusätzliche Deutschförderung angewiesen sind, bei insgesamt knapp 50%. In einzelnen Schuleinheiten ist der Anteil fremdsprachiger Kinder sogar deutlich über 50% (Antwort des Stadtrats vom 3. Oktober 2018 auf eine schriftliche Anfrage, Geschäfts-Nr. 18-322).
Fremdsprachige Kinder, die keine Kita oder Spielgruppe besuchen, sprechen beim Eintritt in den Kindergarten häufig nur wenig oder kein Deutsch. Dies stellt für die betroffenen Kinder bereits zu Beginn ihrer Schulkarriere einen Bildungsnachteil dar, der bis zur späteren Integration in den Arbeitsmarkt Auswirkungen zeigt. Der hohe Anteil fremdsprachiger Kinder stellt aber auch für die Primarschule Dübendorf eine grosse Herausforderung betreffend lntegration, Ressourcen und Logistik dar. Zu den sprachlichen Barrieren kommen in den letzten Jahren die früheren Eintritte in den Kindergarten, wodurch die Lehrpersonen zusätzlich belastet werden, weil die Kinder noch unselbständiger sind und die Entwicklungsunterschiede noch grösser. Hier stellt sich die Frage der Kindergartenbereitschaft noch einmal anders. Schliesslich stellt sich die Frage, wie ein qualitativ guter Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler, auch die Deutschsprachigen, gewährleistet werden kann.
Aus Basel-Stadt gibt es Erfahrungen mit einem verbindlichen, aus der Stadt Zürich mit einem unverbindlichen Modell, bereits eineinhalb Jahre vor Kindergarteneintritt Sprachbarrieren zu erkennen und diese abzubauen (Fragebogen an die Eltern bezüglich der Sprachkenntnisse, Erläuterung von Angeboten, finanzielle Unterstützung für Spielgruppen oder Kita-Besuch mit integrierter Deutschförderung). In Zürich läuft das Projekt seit einigen Jahren unter dem Stichwort „Gut vorbereitet in den Kindergarten“. Gemäss mündlicher Auskunft sind die Erfahrungen in der Stadt Zürich sehr positiv, das Projekt wird ausgeweitet.
Es ist bekannt, dass die Stadt Dübendorf bereits verschiedene Programme führt, um die sprachliche Integration gerade auch für SchülerInnen und Familien zu verbessern (DaZ, Bildungslandschaft, Kindergartenassistenzen usw.). Diese sprechen insbesondere die Kinder ab Schuleintritt an. Je früher fremdsprachige Kinder aber beim Spracherwerb gefördert werden, desto weniger Probleme haben später Lehrerinnen und Lehrer im Unterricht und desto tiefer fallen die sozialen und ökonomischen Folgekosten für die Gesellschaft aus. Es stellt sich daher die Frage, ob durch eine frühe Förderung vor Kindergarteneintritt nicht ein grösserer Effekt erzielt werden könnte: Einerseits würde die herausfordernde Situation in den Kindergärten für die Kinder und die Lehrpersonen verbessert, andererseits könnten aber auch für die Gemeinschaft später entstehende Folgekosten (Förderungen, Sondersettings u.ä. in der Regelschule, weniger Wiederholungen von Schuljahren, grössere Homogenität in den Klassen usw.) reduziert werden, womit der Steuerfranken effizienter eingesetzt wäre.
Wir bitten daher den Stadtrat resp. die Primarschulpflege um die Beantwortung unserer Fragen.
Fragen
Gestützt auf die Geschäftsordnung des Gemeinderates bitte ich den Stadtrat, folgende Fragen zu beantworten:
Fremdsprachige Kinder
Murer Mikolasek: Wieviele Kinder sind im laufenden Schuljahr in Dübendorf in den Kindergarten eingetreten (in Zahlen und Prozentual) und haben beim Kindergarten-Eintritt zu wenig Deutsch gesprochen bzw. verstanden, um dem deutschsprachigen Unterricht folgen zu können?
Stadtrat: Es sind im Schuljahr 2020/21 insgesamt 289 Kinder ins erste Kindergartenjahr eingetreten (Stand: 8. September 2020). Davon haben 166 Kinder nicht Deutsch als Erstsprache angegeben (57,44%).
Murer Mikolasek: Wieviele Kinder sind im laufenden Schuljahr in Dübendorf in den Kindergarten eingetreten (in Zahlen und Prozentual) und haben beim Kindergarten-Eintritt gar kein Deutsch gesprochen bzw. verstanden?
Stadtrat: Aus dem Anmeldeverfahren im Januar 2020 geht aus der Einschätzung der Eltern hervor, dass 13% gut, 28% wenig und 10% kein Deutsch gesprochen haben beim Kindergarteneintritt.
Murer Mikolasek: Wieviele Kinder sind in im laufenden Schuljahr in Dübendorf aufgrund ihres Alters regulär in den Kindergarten eingetreten, obwohl die Kindergartenbereitschaft nicht gegeben war (z.B. Kinder, die nicht selbständig auf die Toilette gehen, sich nicht selbständig anziehen können etc.)?
Falls die hiermit angefragten Zahlen nicht erhoben werden, ist der Stadtrat bzw. die Primarschulpflege bereit, diese Zahlen für das laufende Schuljahr zu erheben und bei den Kindergärten entsprechend nachzufragen?
Stadtrat: Seit dem Schuljahr 2019/20 gibt es keine Möglichkeit mehr, Kinder die jünger sind als der geforderte Stichtag, einzuschulen. Das Alter ist somit das einzige Kriterium für die Kindergartenbereitschaft.
lm aktuellen Schuljahr kann folgendes beobachtet werden:
- 114 Kinder (1. Kindergartenkinder) können sich noch nicht selbstständig an und ausziehen.
- 27 Kinder können nicht ohne Hilfe aufs WC.
- 3 Kinder tragen noch Windeln.
Angebote in Dübendorf
Murer Mikolasek: Welche Angebote der Stadt Dübendorf zielen auf die Gruppe der Kinder vor Kindergarteneintritt ab (Kindergartenbereitschaft allgemein, Integration allgemein, Sprachförderung)?
Stadtrat: Nach Ende des Projekts Bildungslandschaft (2013 – 2016) wurden per 1. Januar 2017 folgende Massnahmen in die Regelstruktur eingeführt.
Elterninformation: Die Bildungslandschaft verschickt Eltern von Kindern im Spielgruppenalter (ca. eins bis zwei Jahre vor Kindergarteneintritt) einen Brief mit der Empfehlung für einen Spielgruppenbesuch. In der Kontakt- und Anlaufstelle für Familien sowie in den Chrabbelgruppen werden Eltern auf die Angebote der Frühen Förderung aufmerksam gemacht. Zudem werden Familien mit Vorschulkindern durch Brückenbauerinnen aus ihrem Sprachkreis über die Angebote der Frühen Förderung und der Integration informiert.
Subventionen Spielgruppen: Familien mit bescheidenen Einkommen haben die Möglichkeit, bei der Stadt Dübendorf (Bildungslandschaft) eine Subvention für den Spielgruppenplatz ihres Kindes zu beantragen.
Zusammenarbeit und Vernetzung: Die Bildungslandschaft bietet jährlich eine kostenlose Weiterbildung für die Spielgruppenleiterinnen an. Diese Zusatzausbildung vermittelt spezifische Möglichkeiten zur Unterstützung fremdsprachiger Kinder in der Sprachförderung. Einmal im Jahr organisiert die Stadt Dübendorf einen Informations- und Vernetzungsanlass mit den Akteuren im Bildungsbereich Frühe Kindheit / Kindergarten.
Murer Mikolasek: Welche Erfahrungen macht die Stadt Dübendorf mit diesen Angeboten?
Stadtrat: Mit den Elternbriefen können viele Familien erreicht und dazu ermutigt werden, einen Spielgruppenbesuch in Betracht zu ziehen. Durch die Subventionen erhalten viele Kinder aus Familien mit bescheidenen finanziellen Ressourcen, die Möglichkeit, eine Spielgruppe zu besuchen. Die Zusammenarbeit zwischen den Spielgruppenleiterinnen und der Bildungslandschaft funktioniert sehr gut. Die Spielgruppenleiterinnen wenden ihr an den Weiterbildungen erworbenes Wissen an. Durch das Brückenbauer-Netzwerk können fremdsprachige Familien besser über die bestehenden Angebote informiert werden. Die systematische Vernetzung der Akteure im Frühbereich und Kindergarten wirkt sich positiv auf die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren aus.
Schwer erreichbare Familien sind trotz all dieser Massnahmen schwierig für die Nutzung eines der freiwilligen Angebote zu gewinnen.
Murer Mikolasek: Welche Angebote zur Sprachförderung werden in Dübendorf heute ab Kindergarteneintritt angeboten und durchgeführt?
Stadtrat: Eltern Kind Deutsch als Zweitsprache (ElKi-DaZ) ab Herbstferien bis Ende Schuljahr jeweils am Montagnachmittag während 2 Lektionen pro Schulwoche. Regulärer Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Unterricht für alle fremdsprachigen Kindergartenkinder.
Murer Mikolasek: Welche Erfahrungen macht die Stadt Dübendorf mit diesen Angeboten?
Stadtrat: Eltern Kind Deutsch als Zweitsprache (ElKi-DaZ) wird von den Eltern sehr geschätzt und im Kindergarten zeigt diese Förderung positive Auswirkungen. Die Deutsch als Zweitsprache Angebote unterstützen die Schülerinnen und Schüler beim Aufbau ihrer Deutschkompetenzen, damit sie im Regelunterricht erfolgreich lernen können.
Murer Mikolasek: Wieviel kosten diese Massnahmen jährlich, insgesamt und pro Kind, das diese Leistungen in Anspruch nimmt?
Stadtrat: lnsgesamt für das komplette Deutsch als Zweitsprache Angebot (Daz) im Kindergarten wurden im Jahr 2019 CHF 646’448.30 Lohnkosten aufgewendet. Davon profitierten 214 Schülerinnen und Schüler, das ergibt durchschnittliche Kosten von CHF 3’020.79 pro Kind.
Massnahmen zur Verbesserung des Kindergarteneintritts
Murer Mikolasek: Die Stadt Dübendorf hat zu Beginn des letzten Schuljahres erstmals Klassenassistenzen eingeführt, um die Lehrpersonen zu entlasten und die herausfordenden Situation beim Kindergarteneintritt zu verbessern. Welche Erfahrungen wurden damit gemacht? Wird dieser Ansatz weitergeführt? Wenn nein, warum nicht?
Stadtrat: Die Massnahme wird von den Kindergartenlehrpersonen und Schulleitungen durchgehend als positiv und entlastend beurteilt. Die Befragten vertreten die Ansicht, dass diese Form der Unterstützung in der Anfangsphase dazu beiträgt, dass sich die Kindergartenlehrpersonen den Kernaufgaben besser widmen können. Die Schulassistentinnen wurden hauptsächlich für folgende Tätigkeiten eingesetzt: Unterstützung der Kindergartenlehrpersonen sowie als helfende Hände bei Übergängen (Ankommen und Umziehen, Ablösung von den Eltern, Toilettengang, Sportunterricht und in Notsituationen).
In den offenen Bemerkungen enträhnen rund die Hälfte der Kindergartenlehrpersonen den Wunsch nach Verlängerung der Schulassistenz oder gar nach einem ganzjährigen Einsatz einer zweiten Kraft im Kassenzimmer.
Die Primarschulpflege erarbeitet nun einen Lösungsvorschlag, um die Funktion Schulassistenz im Rahmen der Empfehlungen des Volksschulamtes einzuführen. Schulassistenzen sind eine erprobte Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler, Klassen und Lehrpersonen zu unterstützen sowie die Schule insgesamt zu stärken und so auf die heutigen Herausforderungen wirkungsvoll zu reagieren.
Murer Mikolasek: Welche weiteren Massnahmen haben Stadtrat und Primarschulpflege bereits getroffen oder geplant, um der herausfordenden Situation beim Kindergarteneintritt für Kinder und Lehrpersonen gerecht zu werden? Welche Erfahrungen wurden damit gemacht bzw. was wird davon erwartet?
Stadtrat: Auch im Schuljahr 2020/21 findet weitere Unterstützung durch Schulassistenzen im Kindergarten in gleichem Umfang wie 2019 statt. Für längerfristige Unterstützung hat die Schulpflege ein Konzept „Schulassisfenzen“ bewilligt, für welches der Stadt Dübendorf in Kürze ein Antrag für einen Zusatzkredit gestellt wird. Ein fest institutionalisierte Entlastung im Kindergarten wird dadurch möglich sein.
Murer Mikolasek: Wurde ein Modell „gut vorbereitet in den Kindergarten“, wie es die Stadt Zürich durchführt, oder ein ähnliches Modell, für Dübendorf geprüft, z.B. im Rahmen der Bildungslandschaft oder der Integrationsförderung?
Wenn ja: Was war das Resultat dieser Prüfung und warum hat die Stadt Dübendorf das Projekt nicht eingeführt?
Stadtrat: In der Projektphase der Bildungslandschaft (2013 – 2016) wurde das Schwamendinger-Modell, welches im 2013 als Pilot in diesem Stadtkreis eingeführt und sukzessiv flächendeckend auf die ganze Stadt Zürich als Programm „Gut vorbereitet in den Kindergarten“ ausgeweitet wurde, diskutiert.
Bei der Überführung der Bildungslandschaft in die Regelstruktur wurde der Fokus auf die drei Bereiche Elterninformation, Subventionen Spielgruppen sowie Zusammenarbeit und Vernetzung gelegt (siehe Antwort zu Frage 2a.). Eine vertiefte Prüfung einer Sprachstanderhebung wurde deshalb nicht vorgenommen.
Murer Mikolasek: Sieht der Stadtrat weitere Handlungsmöglichkeiten?
Stadtrat: Der Stadtrat sieht mit den bestehenden, durch den Gemeinderat bewilligten finanziellen und personellen Ressourcen (Bildungslandschaft, Integrationsförderung) keine weiteren, realisierbaren Handlungsmöglichkeiten.
Angelika Murer Mikolasek, Gemeinderätin GEU/glp, Julian Croci & Oliver Kellner, Gemeinderäte Grüne und Weitere
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