Wie in einer früheren Kolumne versprochen, setze ich meine Reise durch den Milchmarkt-Dschungel fort – diesmal erforderte das Dickicht aus empörenden Entscheiden, konsternierenden Kompetenzüberschreitungen und besorgniserregenden Branchenentwicklungen gar eine zusätzliche Machete, und ich fühle mich unangenehm an den Mathematikunterricht erinnert: Je tiefer man vordringt desto frappierender die Erkenntnis, was man alles nicht versteht.

Ging es beim letzten Mal um fragwürdige Butterimporte, so nehme ich mich diesmal der Milchpreissegmentierung an. Wie die wenigsten Konsumierenden wissen, erhalten Bauern nicht für alle Milch denselben Preis: Es gibt die A-, die B- und die C-Milch. Die A-Milch wird für Produkte mit Grenzschutz und solche mit Rohstoffpreisausgleich genutzt, B-Milch für Produkte ohne Grenzschutz oder Rohstoffpreisausgleich für den Inlandmarkt, und aus C-Milch werden Produkte für den Weltmarkt. Für A-Milch erhalten Bauern somit den höchsten Preis. für B-Milch weniger und für C-Milch den geringsten, wobei die Bauern bisher aufgrund der Verträge gezwungen waren, jeweils einen bestimmten Anteil B-Milch zu liefern.

Nun hat aber das Parlament den Entscheid gefällt, dass die Lieferung billiger B-Milch freiwillig werden soll. Aus Sicht von BIG-M, der Basisorganisation für einen fairen Milchmarkt, würden durch den freiwilligen Verzicht auf B-Milch alle Milchbetriebe profitieren. Die einen (die durch einen höheren Milchpreis auf einer kleineren Milchmenge,  die anderen, die im gleichen Rahmen weiterproduzieren, profitieren vom höheren Preis durch die gesunkene Milchmenge. Denn durch die kleinere Milchmenge fallen gemäss der Organisation jene B-Milchprodukte weg, die den schlechtesten Preis generieren.

Eine Win-win-Situation, könnte man denken – doch weit gefehlt. De Branchenorganisation Milch (BOM) hat sich nämlich an ihrer Delegiertenversammlung gegen eine Freiwilligkeit der B-Milch ausgesprochen und damit den Parlamentsbeschluss schlicht und einfach ignoriert. Nun kann man sich fragen: Wer profitiert davon, wenn durch Ablehnung der Freiwilligkeit mehr Milch zu günstigeren Preisen auf dem Markt ist?

Die Antwort liegt auf der Hand: Es sind die Branche und der Detailhandel, die bei einem Milchüberschuss stärkeren Druck auf de Produzentenpreise ausüben können und dadurch ihre Machtposition gegenüber den Bauern stärken. Ich schlucke leer und bleibe trotz scharfer Machete und endgültiger Entschlossenheit, mich politisch für eine Stärkung der Position der Bauern einzusetzen, konsterniert zurück. Wenn sich die Branche über Parlamentsentscheide so nonchalant hinwegsetzt, was mache ich dann noch hier?

Doch ich wäre nicht ich, wenn ich mich damit zufriedengäbe. Jetzt ist es Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) de gefassten Beschlüsse umzusetzen. Ich werde mich umgehend mit dem BLW in Verbindung setzen und die Umsetzung der parlamentarischen Motion fordern – schliesslich steht auch die Glaubwürdigkeit des Parlaments und des BLW selber auf dem Spiel. Auf eine Freiwilligkeit der B-Mitch und der daraus resultierenden grösseren Freiheit und Selbstbestimmung der produzierenden Bauern.

Meret Schneider, Nationalrätin Grüne Kanton Zürich