Ausgerechnet die urbanen Parteistrategen der SVP wollen sich für das Land einsetzen. Und reden eine Spaltung herbei, die auf dem Land gar nicht gewollt ist.
Auch drei Wochen danach beschäftigt es mich immer noch: Ausgerechnet am 1. August, dem Tag, an dem von links bis rechts die Schweiz und ihre Bevölkerung gepriesen wird, an dem zu Einigkeit, Zusammenhalt und Solidarität aufgerufen und das «einig Volk von Brüdern (und Schwestern!)» heraufbeschworen wird, lancierte die selbst ernannte Volkspartei ihren Coup. In verschiedenen Reden wurden einmal mehr das Scheitern der Agrarinitiativen gefeiert und im gleichen Atemzug die «Bevormunder-Grünen» und urbanen Umweltfreund*innen schlecht geredet, die den Bauern und der Landbevölkerung ihre unrealistischen Vorstellungen von Ökologie und Tierwohl aufzwingen wollen. Es war vom Stadt-Land-Graben die Rede, und es wurde ein Unterjochungsszenario durch die Stadtbevölkerung herbeifantasiert, das Lust machte, mit Hellebarde und Heugabel die arroganten Städterinnen und Städter ihrer vermeintlichen Machtposition zu berauben und Autonomie und Freiheit zurückzuerobern.
An Pathos wurde nicht gespart, und die Tatsache, dass sowohl Herr Köppel als auch Herr Chiesa Uniabsolventen und Städter sind, schien niemanden zu irritieren. Ein gelungener Auftakt einer gut durchorchestrierten Kampagne, die sich sowohl die vergangene Agrardebatte als auch den Unmut über das Jagdgesetz zunutze macht und ein nicht eben neues Narrativ aufzieht, um die ganze verfahrene Agrarpolitik auf die «Bevormundungspolitik» der urbanen Besserwissenden zurückzuführen.
Und es wurde geklatscht. An den Feiern und in den Kommentarspalten wurde Beifall laut, interessanterweise nicht unbedingt von den Bauern und der Landbevölkerung, sondern zu grossen Teilen aus dem urbanen Umfeld der SVP-Exponenten. Es sind die SUV-fahrenden Städter, die sich zu Empörungssalven aufschwingen und im Namen der Bäuerinnen und Bauern gegen Massnahmen gegen den Klimawandel mobil machen. Es sind die Vertreter grosser Konzerne, die sich hemdsärmlig geben und sich vordergründig mit den Bauern auf dem Land solidarisieren, während sie im gleichen Zuge für Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten votieren und keine höheren Standards für importierte Agrarprodukte wollen. Und es wird nicht durchschaut.
Es ist nicht die Landbevölkerung, die von einer Spaltung und deren Konsequenzen profitiert oder diese anstrebt. Es sind die urbanen Parteistrategen, die diese Stadt-Land-Grube ausheben und, so will es das Sprichwort, vielleicht selbst hineinfallen.
Meret Schneider, Nationalrätin Grüne Kanton Zürich
Kommentar verfassen