Heute ist es schwierig, über etwas anderes als die Corona-Pandemie zu schreiben. Der Grossteil der Schweiz sitzt im Moment zu Hause herum, während viele Heldinnen und Helden hart daran arbeiten, dass möglichst keine Menschen dem Virus erliegen, dass alle zu Hause Gebliebenen versorgt sind und dass im Sommer hoffentlich das «normale> Leben wieder einigermassen weitergehen kann.

Für viele Menschen, Alte, Junge, Frauen und Männer gibt es schon lange kein normales Leben mehr. Auf der Flucht vor Krieg leben sie seit Jahren zusammengepfercht in Lagern in der Türkei oder nun ohne jeglichen Schutz vor der europäischen Aussengrenze. Beeinflusst ihre Lage das normale Leben in der Schweiz und Europa nicht in dem Ausmasse, wie es das Virus nun tut, spüren sie, die vergessenen Menschen vor der Festung Europa, doch direkt die Folgen jahrzehntelanger antidemokratischer Politik von Rechtspopulisten und deren Steigbügelhalter aus der Mitte, die ihnen die Mehrheiten verschaffen.

Die Genfer Flüchtlingskonvention ist eine wichtige Erweiterung der Menschenrechte mit dem Ziel, Menschen zu schützen und ihnen Grundfreiheiten zukommen zu lassen. Dies insbesondere im Fall, dass der Staat, in welchem sie leben und welcher der primäre Garant für die Menschenrechte seiner Bewohnerlnnen ist, dazu nicht mehr in der Lage ist. Die Genfer Flüchtlingskonvention sollte quasi eine Rückversicherung für alle Menschen auf die Menschenrechte sein.

Indem die EU Menschen in Lesbos die Möglichkeit auf einen Asylantrag nimmt, sägt sie an den Menschenrechten. Die Universalität der Menschenrechte ist nur gegeben, wenn alle die Möglichkeit haben, diese wahrzunehmen – ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihres Alters oder ihres Geschlechts.

Die Krise auf Lesbos ist ein herber Schlag für die Menschenrechte und zugleich ein grosser Sieg für rechte Menschen. Seit Jahrzehnten arbeiten rechtspopulistische Parteien aus der Schweiz und ganz Europa daran, die Genfer Flüchtlingskonvention und damit die Menschenrechte aufzuweichen. Durch beständiges Schüren von Ängsten, Verbreiten von Fake-News und das Heranzüchten einer «Wir gegen die»-Mentalität haben sie es nicht nur geschafft, den öffentlichen Diskurs zu vergiften, sondern offensichtlich auch, eine Mehrheit der Politik auf ihre Seite zu ziehen.

Darum ist es jetzt nicht nur äusserst wichtig und notwendig für die Menschen vor dem europäischen Stacheldraht, sie möglichst schnell in Europa in Sicherheit zu bringen, sondern auch für die Menschenrechte an sich.

Lassen wir es zu, dass die Menschenrechte nur noch für einen kleinen Kreis für ausgewählte Menschen in Westeuropa gelten, sind sie bald nichts mehr wert.

Julian Croci, Gemeinderat Dübendorf, Junge Grüne