Warum mich an Weihnachten der Gang in die Lebensmittelläden bedrückt – und was wir besser machen könnten.
Weihnachten – ganz ohne christlichen Hintergrund ist diese Zeit für mich doch immer eine verzauberte Zeit des Besinnens, Innehaltens und des Denkens an meine Mitlebewesen. Ich backe, verziere, dekoriere und werfe meine ganze Nüchternheit und den rationalen Minimalismus des Jahres über Bord. An seine Stelle tritt ein Faible für Romantik, Glitzer und Nägeliduft, das mir ansonsten ferner nicht liegen könnte.
Einzig etwas bedrückt mich in der Adventszeit ganz besonders: der Gang in die Grossverteiler. Die Berge an Weihnachtsschokolade, die sich vor mir türmen, kann ich noch mit einem ratlosen Achselzucken abtun, doch die absurden Aktionen auf Entrecôte aus Paraguay, Fondue chinoise und gefrorenem Hummer brechen mir das Herz. Kontrastiert werden diese Flatrate-Aktionen zum Fest der Liebe von Artikeln in der «Bauernzeitung», die von Landwirten berichten, die ihr Labelfleisch zu konventionellen Preisen verkaufen müssen, weil die Detailhändler Labelanteile reduzieren oder weil sie bei den Milchpreisen unter Druck gesetzt werden. Oftmals stecken diese Bauern in sogenannten Knebelverträgen fest und sind der einseitigen Marktmacht der Detailhändler ausgeliefert. Einmal mehr kann ich diese Situation nicht akzeptieren und habe daher in der Wintersession einen Vorstoss mit einem Vorschlag zur Besserung dieser misslichen Lage eingereicht.
Es sollte eine Ombudsstelle eingerichtet werden, die anonym unlautere Handelspraktiken untersuchen kann.
Dabei habe ich mich an Deutschland orientiert, wo sich die Bauern in einer ähnlich unbefriedigenden Situation befinden. In Deutschland wurde die Umsetzung der EU-Richtlinie (Unfair Trading Practices, UTP) im April 2019 verabschiedet. Mit dieser Richtlinie zu unfairen Handelspraktiken wird erstmals Fairness im Lebensmittelhandel gesetzlich verankert. Sogenannt unlautere Handelspraktiken können dadurch mit einer Generalklausel verboten werden. Ich fordere das nun auch in der Schweiz ein und bitte den Bundesrat, auf gesetzlicher Ebene Rahmenbedingungen zu schaffen für mehr Fairness. Zentrale Aspekte sind dabei:
- Die Umsetzung der EU-Direktive in der Schweiz, denn auch bei uns sind unlautere Handelspraktiken Alltag. Zu den verbotenen Handelspraktiken gehören in Deutschland beispielsweise kurzfristige Stornierungen verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse, Beteiligung der Lieferanten an Kosten der Lagerung der Agrar- oder Lebensmittelerzeugnisse oder Zahlungsverlangen des Käufers für Qualitätsminderung von Erzeugnissen, nachdem die Lieferung an den Käufer übergeben worden ist. Es fehlt jedoch eine umfassende Analyse, um diese gesetzlich verbieten zu können. Auf gesetzlicher Ebene könnte eine Ergänzung des Bundesgesetzes gegen unlauteren Wettbewerb sinnvoll sein.
- Die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle, die den Auftrag erhalten würde, Richtwerte für kostendeckende bzw. existenzsichernde Preise zu ermitteln. Sie sollte ebenso Preis- und Produktionskostenanalysen für Lebensmittelketten erstellen, die für Bauern und Bäuerinnen, Arbeiter*innen oder Verbraucher*innen eine hohe Bedeutung haben.
- Es sollte eine Ombudsstelle eingerichtet werden, die anonym unlautere Handelspraktiken, Dumpingpreise sowie Verstösse bei Löhnen und Gehältern untersuchen kann. Des weiteren soll sie solche Fälle dokumentieren, ahnden und gegebenenfalls sanktionieren beziehungsweise an die zuständige Behörde weiterreichen können. Eine solche existiert bereits in Grossbritannien.
Ob sich eine Adaption dieser Direktive auch in der Schweiz implementieren liesse oder welche Alternativen es dazu gäbe, wird mir der Bundesrat hoffentlich in Kürze beantworten. Bis dahin warte ich in Vorfreude darauf – im Warten und Vorfreuen bin ich durch die Adventszeit ja inzwischen geübt.
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