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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Rat, sehr geehrte Damen und Herren von der Presse und liebes Publikum zuhause an den Bildschirmen

Ich darf heute inhaltlich Stellung nehmen zum Bericht über die Administrativuntersuchung Sozialhilfe der Stadt Dübendorf, verfasst von Prof. Dr. iur. Tomas Poledna. Die Administrativuntersuchung war meine Lektüre in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr, und ich muss sagen, es war wahrlich keine leichte Kost:

Einerseits bin ich froh, dass diese sorgfältige Abklärung stattgefunden hat und nun ein Bericht vorliegt, der klar aufzeigt, was alles über viele Jahre schiefgelaufen ist in der Abteilung Soziales, insbesondere bei der Sozialhilfe. In der laufenden Legislatur (2018 – 2022) haben SP und Grüne in diesem Rat mehrere Vorstösse, insbesondere die Interpellationen zu den Berichten des Ombudsmannes 2017 und 2018 eingebracht und die Antwort des Stadtrats darauf kritisch beleuchtet. In den Legislaturen davor, sicher seit 2007, haben sich meine Fraktionskolleginnen und –kollegen von der SP und der Grünen Partei für diese Sache eingesetzt. Wir haben gesagt: da läuft es nicht richtig, bitte schaut hin! – leider hat weder eine Mehrheit des Gemeinderats, noch der Stadtrat oder die Sozialbehörde diese Warnsignale ernstgenommen, respektive die Empfehlungen des Ombudsmannes umzusetzen versucht. Nun wurden diese Missstände, die wir hier mehrere Male dargelegt hatten, im Bericht bestätigt. Dies erfüllt mich einerseits mit Erleichterung und auch Genugtuung. – Andererseits bin ich erneut schockiert über das Ausmass des Schlamassels: In der Sozialhilfe haben sich über beinahe zwei Jahrzehnte gesetzeswidrige und destruktive Muster eingeschlichen, die bar jeder Kontrolle waren. Nun bin ich weiterhin besorgt, wie diese Vergangenheit bewältigt und wie verhindert werden kann, dass die Abteilung Soziales in alte Muster zurückfällt. Denn solche Vorkommnisse sollen sich nicht wiederholen – ich denke, in diesem Punkt sind wir uns mittlerweile alle einig.

Schlimm ist, dass sich das Führungsversagen und damit Verfehlungen über alle Ebenen der Stadtverwaltung offenbar bis heute fortgesetzt haben: Weder die Mitglieder des Stadtrats noch der Sozialbehörde haben ihre Aufsichtspflicht wahrgenommen und Verantwortung übernommen. Stattdessen haben sie sich in blindem Vertrauen gewiegt und die Leitung Soziales und die Leitung Sozialhilfe einfach weitermachen lassen. Damit wurde über eine enorm lange Zeit gegen die Aufsichtspflicht verstossen!

Wer waren die Leidtragenden? Leidtragende waren hauptsächlich die Klientinnen und Klienten sowie Mitarbeitende, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Das ist der menschliche Aspekt, der in dieser Sache speziell gewürdigt werden muss: Klientinnen und Klienten wurden gedemütigt, auch wenn sie unverschuldet auf Sozialhilfe angewiesen waren. Obwohl in der Verfassung steht, dass alle Menschen vor Willkür geschützt und als gleichwertig und würdig zu behandeln sind, herrschte im Alltag auf dem Sozialamt ein Klima des Misstrauens oder gar der Menschenverachtung vor.

Das Recht auf persönliche Hilfe gemäss § 11 und 12 Sozialhilfegesetz (SHG) berechtigt Menschen, die in einer persönlichen Notlage der Hilfe bedürfen, Beratung und Betreuung in Anspruch zu nehmen. Auch dieses Angebot der ‚persönlichen Hilfe‘ war auf dem Sozialamt praktisch inexistent. D.h. das Recht auf Beratung und Betreuung, welches den betroffenen Menschen von Rechts wegen zusteht, auch dann, wenn noch nicht alle Formulare für die Anmeldung zum Bezug der Sozialhilfe ausgefüllt sind. Dieses Recht wurde den Menschen in Not während vieler Jahre verweigert.

Das Argument Datenschutz diente der Abteilung Soziales einerseits als Deckmäntelchen, um die Geschäfte der Abteilung der Aufsicht der Behörde und des Stadtrats zu entziehen. Andererseits wurde der Datenschutz in krasser Weise missachtet, so z.B. beim exzessiven Einsatz der Sozialdetektive.

Die SP vertritt die Meinung, es sei angezeigt, dass sich der Stadtrat aufgrund der Erkenntnisse aus dem Bericht entschuldigt. Er soll sich gegenüber den Klientinnen und Klienten entschuldigen, die unwürdig behandelt und gedemütigt wurden. Und er soll sich bei all jenen entschuldigen, die sich für die Aufklärung der unguten und schwierigen Machenschaften eingesetzt haben, bei Mitarbeitenden, dem Ombudsmann und weiteren Augenzeugen.

Noch eine Bemerkung zum Bericht, der ja ab heute öffentlich zugänglich gemacht wird. Es ist mir ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die Ursprünge der Fehlentwicklungen rund 15 Jahre zurückliegen und wichtige Aussagen zu den Geschehnissen vor 2018 fehlen. Die Sozialvorsteherin hat 2018 ein schweres Erbe angetreten. Sie hat sich der Administrativuntersuchung gestellt, während ihr Amtsvorgänger, der 16 Jahre oder 4 Legislaturperioden lang, als Sozialvorsteher im Amt war, die Aussage verweigert hat. Ebenso hat die langjährige Leiterin Sozialhilfe ihre Aussage verweigert. Tatsächlich sind alle verantwortlichen Personen gerade im letzten Moment von ihren Ämtern zurückgetreten, damit sie nicht belangt werden können.

Es braucht jetzt eine sehr aktive Phase des Wiederaufbaus. Gemäss unserem Verständnis hat diese Phase eigentlich schon im letzten Sommer angefangen. Doch gibt es nur wenig Information dazu. Umso wichtiger sind die kommenden Monate: Am 1. Juli 2022 folgt mit dem Legislaturwechsel auch die Inkraftsetzung der neuen Gemeindeordnung. Für die Abteilung Soziales bedeutet das auch eine neue Struktur: statt der autonomen Sozialbehörde soll eine Sozialkommission eingesetzt werden, welche die Funktion der direkten Aufsicht wahrnimmt. Die Abteilung Soziales wird neu dem Gesamtstadtrat unterstehen. All diese Neuerungen können eine Chance sein für den nötigen Kulturwandel in der Abteilung, wenn sie denn ergriffen wird. Noch ist nicht definiert, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren die Sozialkommission zusammenzusetzen ist. Dabei handelt es sich um eine Schlüsselentscheidung, um zu garantieren, dass die Fehler der Vergangenheit sich nicht weiter fortsetzen. Wie möchten da mitreden und finden es unabdingbar, fachliche und menschliche Kriterien für die Sozialkommission zu definieren.

Es ist essentiell, dass mit dem Start der neuen Legislatur alles auf einer soliden rechtlichen Basis aufgegleist wird. Zu diesem Zweck wird es sich lohnen, einen Juristen beizuziehen, um die Weichen von Anfang richtig zu stellen.

Im Weiteren geht es darum, die Empfehlungen aus dem Bericht systematisch und transparent umzusetzen. Nur so kann das verlorengegangene Vertrauen der Bevölkerung ins Sozialamt wiederaufgebaut werden. Und auch für professionelle Sozialarbeitende muss ersichtlich werden, dass eine neue Ära beginnt.

Letztlich sind sowohl der Stadtrat als auch der Gemeinderat zur Rechenschaft zu ziehen, wenn etwas dermassen schiefläuft. Sie stehen in der Verantwortung und sind auf Transparenz angewiesen, um die Aufsichtspflicht über alle Abteilungen wahrnehmen zu können.

Hanna Baumann, Gemeinderätin SP