Seit dem 24. Januar 2022 sind die Ergebnisse der Administrativuntersuchung zur Dübendorfer Sozialhilfe von Rechtsanwalt Tomas Poledna und die Empfehlungen der gemeinderätlichen Spezialkommission zur Begleitung dieser Untersuchung öffentlich. Die festgestellten Missstände reichen von Datenschutzverletzungen, illegalem Einsatz von Sozialdedektiven und GPS-Trackern, Falschverbuchungen, unrechtmässigem Einkassieren von kantonalen Beiträgen über vernachlässigte Inspektionen der Asylunterkünfte, die Auslagerung der Kindesschutzfälle ohne gesetzliche Grundlage bis hin zur Verletzung des Beschaffungsrechts und der Irreführung der Stimmberechtigten im Zusammenhang mit der Abstimmung über den Austritt aus dem Zweckverband Soziale Dienste des Bezirks Usters. Die Spezialkommission schreibt in ihrer Würdigung der Untersuchungsergebnisse u.a., dass nebst den Mängeln diverse Sicherungs- und Kontrollmechanismen nicht gegriffen haben. Zur Behebung der Missstände formuliert die Kommission insgesamt 40 Empfehlungen zuhanden der Exekutivbehörden.

Wir bitten den Regierungsrat in seiner Funktion als oberste Aufsichtsbehörde über die öffentliche Sozialhilfe um die Beantwortung folgender Fragen:

Fragen zum Handlungsbedarf des Regierungsrats und seiner Direktionen

Grüne: Bis wann wird die Sicherheitsdirektion die beiden Berichte (Administrativuntersuchung und Bericht der Spezialkommission) näher analysiert haben? Welche Fragestellungen bzw. welche in der Administrativuntersuchung festgestellten Missstände betreffen den Zuständigkeitsbereich dieser Direktion? Bis wann werden deren Schlussfolgerungen aus den Analysen vorliegen und wie werden diese der Öffentlichkeit kommuniziert?

Der Tages-Anzeiger hat bereits 2020 über falsch verbuchte Kosten beim Sozialamt Dübendorf berichtet. Welche Vorkehrungen hat die Sicherheitsdirektion seit dieser Berichterstattung konkret vorgenommen, um die Verwendung der kantonalen Mittel in diesem Sozialamt zu überprüfen und deren gesetzeskonformer Einsatz sicherzustellen? Gibt es Hinweise, dass es auch in anderen Gemeinden zu ähnlichen Vorfällen kommt?

Bis wann wird die Direktion der Justiz und des Inneren die beiden Berichte (Administrativuntersuchung und Bericht der Spezialkommission) näher analysiert haben? Welche Fragestellungen bzw. welche in der Administrativuntersuchung festgestellten Missstände betreffen den Zuständigkeitsbereich dieser Direktion? Bis wann werden deren Schlussfolgerungen aus den Analysen vorliegen und wie werden diese der Öffentlichkeit kommuniziert?

Zustand Wohnung B.B.

Zustand Wohnung B.B.

Regierungsrat: Der Regierungsrat hat bereits in der Beantwortung der Anfrage KRNr. 381/2020 betreffend „Dübendorfer Sozialbehörde wieder im Fokus – welche Lehren ziehen die Aufsichtsbehörden daraus?“ über aufsichtsrechtliche Handlungen Auskunft erteilt. Wie schon damals festgehalten wurde, übt der Bezirksrat gemäss § 8 des Sozialhilfegesetztes (SHG, LS 851.1) als erste Instanz die Aufsicht über die Sozialbehörden aus. Insbesondere obliegen ihm die periodische und, soweit erforderlich, ausserordentliche Prüfung der gesamten Hilfs- und Verwaltungstätigkeit der Sozialbehörden sowie die Berichterstattung an die Sicherheitsdirektion. Die vom Bezirksrat bestellten Fürsorgereferentinnen und -referenten überprüfen gemäss § 4 Abs. 2 der Verordnung zum Sozialhilfegesetz (LS 851.11) mindestens alle zwei Jahre die Hilfstätigkeit jeder Sozialbehörde.

Zu Fragen 1–3: Weder die Sicherheitsdirektion noch die Direktion der Justiz und des Innern sind Adressatinnen der beiden Berichte. Die Ergebnisse der Administrativuntersuchung und die Empfehlungen der Spezialkommission richten sich an die Dübendorfer Behörden. Entsprechend sind hauptsächlich Themen betroffen, die in den Zuständigkeitsbereich der Gemeindebehörden fallen. Die kantonalen Stellen haben zeitgleich mit der Öffentlichkeit von den Untersuchungsergebnissen erfahren.

Der Kanton leistet den Gemeinden einen Kostenanteil von 4% an die beitragsberechtigten Ausgaben der wirtschaftlichen Hilfe (§ 45 SHG). Für den Vollzug des Sozialhilfegesetzes ist das Kantonale Sozialamt zuständig. Das Kantonale Sozialamt prüft die Kostenersatzrechnungen der Gemeinden in jedem einzelnen Fall. Es gibt keine Hinweise auf Vorfälle in anderen Gemeinden. Das Kantonale Sozialamt steht mit der Stadt Dübendorf in Kontakt bezüglich der Ergebnisse der Administrativuntersuchung.

Fragen zur Rolle des Bezirksrates Uster

Frage 4: Analyse des Berichtes

Grüne: Bis wann wird der Bezirksrat die beiden Berichte (Administrativuntersuchung und Bericht der Spezialkommission) näher analysiert haben? Welche Fragestellungen bzw. welche in der Administrativuntersuchung festgestellten Missstände betreffen den Zuständigkeitsbereich des Bezirksrats? Wann werden dessen Schlussfolgerungen aus der Analyse vorliegen und der Öffentlichkeit kommuniziert?

Regierungsrat: Zu den Fragen 4–7 hat der Bezirksrat Uster am 21. Februar 2022 im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Bezirksrat Uster: Der Bezirksrat hat die Berichte von Prof. Dr. T.Poledna (nachfolgend Bericht Poledna) sowie der Spezialkommission der Stadt Dübendorf bereits im Dezember 2021 zur Kenntnis genommen. Zu betonen ist, dass der Bezirksrat nicht Adressat dieser Berichte ist. Es handelt sich vielmehr um Dokumente zu Handen der Dübendorfer Behörden. Diese stehen in der Verantwortung und nehmen diese nach Meinung des Bezirksrates auch gewissenhaft wahr, wie die Bildung einer Spezialkommission und der Auftrag an Prof. Poledna zeigen. Es wird an den Dübendorfer Behörden sein, die Empfehlungen aufzuarbeiten und zu entscheiden, ob und wie diese in die Behördenarbeit umgesetzt werden sollen.

Zustand Wohnung B.B.

Zustand Wohnung B.B.

Die Frage, welche Fragestellungen/Missstände den Zuständigkeitsbereich des Bezirksrates betreffen, ist mit verhältnismässigem Aufwand nicht zu beantworten. Der Bezirksrat ist von allen Teilen des Berichtes Poledna in seiner Aufsichtsfunktion indirekt betroffen. Es würde viel zu weit führen, sämtliche Feststellungen von Prof. Poledna zu kommentieren. Die in seinem Bericht aufgearbeiteten Themen kamen bereits in vielen Entscheiden des Bezirksrates über Aufsichtsbeschwerden und Rekurse zur Sprache, ebenso bei den alle zwei Jahre durchgeführten Visitationen, bei denen in den mündlichen Schlussbesprechungen mit den politischen Verantwortlichen die problematischen Punkte (z. B. Kontakt Sozialbehörde / Ombudsmann) jeweils angesprochen wurden.

Die vorliegende Anfrage ist bereits die dritte Anfrage zum Thema Sozialabteilung Dübendorf (vgl. KR-Nr. 14/2017 betreffend Dübendorfer Sozialbehörde im Fokus – wo bleibt die Aufsicht über die Sozialbehörden? und KR-Nr. 381/2020 betreffend Dübendorfer Sozialbehörde wieder im Fokus – welche Lehren ziehen die Aufsichtsbehörden daraus?). Namentlich seit der Beantwortung der Anfrage KR-Nr. 381/2020 haben sich die Rahmenbedingungen in Dübendorf nicht mehr massgeblich geändert, und sämtliche problematischen Aspekte in der Sozialabteilung, wie sie im Bericht Poledna aufgebarbeitet sind, liegen in der Zeit vor der Beantwortung der Anfrage KR-Nr. 381/2020, weshalb auf Letztere verwiesen werden kann.

Die Beantwortung der Anfrage KR-Nr. 381/2020 enthält ausführlich die allgemeinen Darlegungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Aufsicht sowie die neuesten Entwicklungen innerhalb der Sozialabteilung Dübendorf (Kündigung der Leiterin Sozialhilfe, Kündigung und Freistellung des Leiters Soziales). Prof.Poledna attestiert denn auch in seinem Bericht, dass sich seither die Verhältnisse beruhigt haben und die Sozialabteilung auf gutem Weg ist.

Der Bezirksrat Uster wird keine schriftliche Analyse des Berichtes Poledna vornehmen und somit der Öffentlichkeit auch keine entsprechenden Dokumente mit Schlussfolgerungen zur Verfügung stellen. Die Empfehlungen von Prof. Poledna und der Spezialkommission betreffen hauptsächlich Themen, die der gemeindeautonomen politischen Gestaltungsmacht unterliegen, auf welche der Bezirksrat aufgrund seiner gesetzlichen Einschreitensgrenze keinen Einfluss nehmen kann. Der Bezirksrat greift erst ein, wenn das zuständige Organ das Erforderliche zur Behebung der Ordnungswidrigkeit unterlässt (§ 166 Abs. 1 und 2 Gemeindegesetz [GG, LS 131.1]). Die Voraussetzungen für ein aufsichtsrechtliches Einschreiten sind nach ständiger Praxis nur gegeben bei Verletzung klaren materiellen Rechts, bei Missachtung wesentlicher Verfahrensgrundsätze oder bei Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen (vgl.Martin Bertschi, in: Kommentar VRG, Vorbem. zu §§ 19–28a, N. 81). Zu beachten ist, dass Prof.Poledna in seinem Bericht die Fakten und eingegangenen Darstellungen darlegen und eine fachkundige Einschätzung abgeben konnte. Der Bezirksrat ist im Rahmen von Aufsichts- oder Rekursverfahren demgegenüber gehalten, nur auf nachgewiesene Fakten abzustellen, und darf nur bei Vorhandensein der obgenannten Voraussetzungen einschreiten

Frage 5: Ist der Bezirksrat seiner Aufsicht nachgekommen?

Grüne: Aus der Administrativuntersuchung geht hervor, wie sehr der Bezirksrat Uster in den vergangenen Jahren mit den misslichen Umständen in der Dübendorfer Sozialhilfe beschäftigt war. Die Administrativuntersuchung wirft aber doch auch die Frage auf, ob der Bezirksrat seiner präventiven Funktion genügend nachgekommen ist. Wie und mittels welcher Instrumente kann die präventive Aufsichtsfunktion der Bezirksräte über die Fürsorgebehörden gestärkt werden? Welche gesetzlichen Anpassungen sind dafür nötig?

Bezirksrat Uster: Prof. Poledna hat nachvollziehbar darauf verzichtet, im Rahmen seiner Untersuchung den Bezirksrat zu kontaktieren oder um Unterlagen nachzusuchen. Dies hätte vermutlich den Umfang seines Auftrages gesprengt. Dies hat jedoch zur Folge, dass für seinen Bericht nicht sämtliche Unterlagen zur Verfügung standen, weil ganz offensichtlich die bezirksrätlichen Dokumente in der Sozialabteilung nicht vollständig vorhanden waren. Beispielsweise hat sich der Bezirksrat zwei Mal vom kommunalen Ombudsmann in direkten und offenen Gesprächen über seine Tätigkeit orientieren lassen und bei der Sozialbehörde Dübendorf versucht, auf eine kooperative Haltung gegenüber dem Ombudsmann hinzuwirken. Unabhängig von der Frage, ob die formale Bestellung und Anbindung des Ombudsmannes korrekt erfolgt sei, hat der Ombudsmann nach Einschätzung des Bezirksrates seine Aufgabe in einer sehr guten Weise verstanden und erfüllt, sodass der Bezirksrat nicht der Meinung ist, dass eine formal unabhängigere Positionierung in seinem Wirken und seiner Akzeptanz einen Unterschied gemacht hätte. Wie Prof. Poledna in seinem Bericht erwähnt, konnte die Abwehrhaltung der Sozialbehörde dem Ombudsmann gegenüber immerhin durch ein vom Stadtrat angeordnetes Gespräch am 4. September 2017 («runder Tisch»), an dem die Leitung der Sozialabteilung, der Ombudsmann sowie der Geschäftsleiter der Stadt Dübendorf teilnahmen, etwas überwunden werden. Dabei wurden die vom Ombudsmann behandelten Fälle im Einzelnen besprochen und Massnahmen zur Änderung der Grundhaltung den Klientinnen und Klienten gegenüber erarbeitet, was der Ombudsmann anlässlich des Gespräches mit dem Bezirksrat vom 7. Dezember 2017 auch als Verbesserung schilderte.

Email Arbeitsklima

Email Arbeitsklima

Generell kann darauf hingewiesen werden, dass die Aufgaben- und Funktionsteilung zwischen Sozialbehörden und Sozialabteilungen auch in anderen Gemeinden diskutiert wird und da und dort noch Raum für Optimierungen und Klärungen besteht. Der Bezirksrat Uster ist der Meinung, dass die herrschende Regelung bezüglich der Aufsicht und die zur Verfügung stehenden Mittel ausreichend sind. Sie widerspiegeln die Ausrichtung der Verfassung des Kantons Zürich (KV, LS 101; Art. 83 ff. KV), wonach die Gemeinden autonom sind und ihre Angelegenheiten selber regeln. Das Gemeindegesetz folgt dieser Grundhaltung, namentlich auch in den Regelungen über die Aufsicht (§§ 163 ff. GG). Eine Verschärfung der Aufsicht würde die Gemeindeautonomie in unzulässiger Weise beschneiden und wesentlich mehr personelle Mittel bei den Aufsichtsbehörden bedingen. Eine derartige Neukonzeption der Aufsicht würde nicht nur die Sozialbehörden betreffen, sondern müsste sämtliche Abteilungen der beaufsichtigten Gemeinwesen (Gemeinden, Zweckverbände usw.) einbeziehen. Wie der vorliegende Fall exemplarisch aufzeigt, entstehen die Probleme nicht durch Fehler im System, sondern durch gleichzeitige menschliche Fehlleistungen auf mehreren Hierarchiestufen. Solche Fehlleistungen, vor allem wenn sie bewusst verheimlicht werden, sind teilweise sehr schwierig rechtzeitig zu entdecken. Wollte man eine quasi lückenlose Überwachung garantieren, stünden Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis. Bei der Aufsicht kommt hinzu, dass sie nicht ständig vor Ort ist und deshalb nicht in sämtliche Alltagstätigkeiten einer Gemeinde einen vollständigen Einblick haben kann.

Schliesslich zeigt der Bericht Poledna, dass die meisten Probleme im zwischenmenschlichen und personenbezogenen Bereich anzusiedeln sind, zum Beispiel die Grundhaltung der Mitarbeitenden gegenüber den Sozialhilfebezügerinnen und -bezügern. Solche Probleme sind jeweils schwer fassbar und für eine Aufsichts- oder Rechtsmittelbehörde noch schwerer beweisbar. Dieser Zielkonflikt wäre auch mit schärferen Aufsichtsregeln nicht vermeidbar, es sei denn, man würde die Beweisanforderungen verringern, woran in einem Rechtsstaat aber niemand ein Interesse haben kann.

Frage 6: Wie kann die Aufsicht durch den Bezirksrat gestärkt werden?

Grüne: Wie und mittels welcher Instrumente kann die bezirksrätliche Aufsicht über die Fürsorgebehörden generell effektiver gestaltet werden? Welche gesetzlichen Anpassungen sind dafür nötig?

Bezirksrat Uster: Der Bezirksrat Uster erachtet gesetzliche Anpassungen bezüglich der Aufsicht als nicht notwendig, ist aber bereit, bei allfälligen Projekten aktiv mitzuwirken. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das ausgewogene Mass an Aufsicht sich seit vielen Jahren bewährt hat, weshalb im neuen Gemeindegesetz (in Kraft seit 1. Januar 2018) im Wesentlichen die bisherigen Regelungen übernommen wurden.

Frage 7: Kontrolle der Aufräumarbeiten

Grüne: Wie werden Bezirks- und/oder Regierungsrat die Umsetzung der Empfehlungen der Spezialkommission begleiten und kontrollieren?

Bezirksrat Uster: Der Bezirksrat wird sich weiterhin über alle Schritte der Stadt Dübendorf unterrichten lassen und – sollte sich zeigen, dass die Stadt Dübendorf nicht von sich aus Abhilfe schafft – entsprechend einschreiten. Er hat zum Beispiel auch bereits einzelne Mitglieder des Stadtrates von der Schweigepflicht entbunden zur Klärung der Frage, ob Strafanzeigen durch die Stadt Dübendorf zu erstatten seien. Da die Stadt Dübendorf richtigerweise einen transparenten Umgang mit der ganzen Angelegenheit pflegt (Veröffentlichung der Berichte usw.) und sämtliche Beteiligten sensibilisiert sind, ist davon auszugehen, dass bei neu auftauchenden Problemen alle Seiten viel schneller reagieren werden.

Nora Bussmann Bolaños, Jasmin Pokerschnig & Florian Heer, Kantonsrät*innen Grüne

Sie können die Anfrage hier herunterladen.