Die Fraktion SP / Grüne nahm die Stellungnahme des Stadtrats über dem Bericht des Ombudsmanns zur Kenntnis. Die Stellungnahme gab uns leider Anlass, unsere Sorgen über die Abteilung Soziales eher zu erhöhen anstatt sie zu beruhigen. Offenbar sind die Sichten unserer Fraktion über die Lage diametral anders als die von der Exekutive.

Wir befinden uns in einer grotesken Situation. Wir, Gemeinderäte, bekommen eine Stellungnahme über einen Bericht, den wir selbst nicht lesen dürfen. Die Stellungnahme, im Grossen und Ganzen, besagt, dass das geheim gehaltene Bericht nichts Relevantes enthält, und dass alles in der Abteilung Soziales in Ordnung ist. Die Frage, die dieses Vorgehen wirft, ist: kann der Stadtrat sich selbst beurteilen und gleichzeitig Richter und Angeklagter sein?

Selbstverständlich nein. Genau um das zu vermeiden wurde ein Ombudsmann eingesetzt: um eine unabhängige Meinung zu haben. Mit der Geheimhaltung einerseits und der Selbstbeurteilung andererseits vernichtet der Stadtrat seine ursprünglichen Bemühungen die Situation zu normalisieren. Auch wenn wir verstehen, dass Informationen nicht in der Öffentlichkeit gehen dürfen, kann es nicht in einem kurzen Brief aus dem Tisch weggeworfen werden.

Für uns ist es sehr relevant, weil die Stellungnahme, wenn genau gelesen, vieles mehr erzählt, als sie tatsächlich möchte. Nur schon aus den wenige Informationen riecht man Rauch, das zeigt, dass es auch ein Feuer gibt. Die Anhaltspunkte für unsere Lesung der Stellungnahme sind die folgenden:

  • Die Anzahl Fälle;
  • Die Zeit die es für die Stellungnahme brauchte.

Schauen wir uns die Anzahl Fälle an. 25 für die Abteilung Soziales, 6 für alle andere Bereiche. 25 Fälle zwischen November 2016 und April 2017. Alle 25 Fälle von untergeordneten Bedeutung. Das klatscht ja ziemlich zusammen.  (Die anderen Fälle wären sicher auch sehr interessant kennenzulernen, jedoch möchten wir hier auf die 25 fokussieren.) Auch wenn jeden einzelnen Fall von untergeordneten Bedeutung ist, ist ja die Anzahl furchterregend! Es haben innerhalb 5 Monate 25 Personen den Mut gefunden, den Schritt zu machen und sich beim Ombudsmann zu melden. Die Leute, die sich gemeldet haben, müssen schon ziemlich geärgert sein, bevor sie sich beklagen gehen. Persönlich würde ich diesen Schritt erst machen, wenn ich wirklich, aber wirklich sehr unzufrieden wäre und deshalb für mich (als Kläger) die Sache sicher nicht von untergeordneten Bedeutung wäre.

Das ist ja aber wahrscheinlich nur der Gipfel des Eisbergs. Machen wir doch eine kurze Hochrechnung:

  • Die meisten Leute, wenn sie nicht die lokale Dorfpolitik folgen, oder mit uns oder einer Hilfsorganisation schon in Kontakt sind, wissen gar nicht, dass es eine Ombudsstelle gibt, da (nicht zum Beispiel wie bei Flugpassagiere) sie ihre über ihre Rechte nicht automatisch instruiert werden und die Abteilung Soziales sie nicht daraus aufmerksam macht.
  • Die meisten Flüchtlinge werden sicherlich nicht zur Ombudstelle gehen, um sich zu beklagen, sie können – richtigerweise – nicht einschätzen, wie viel dies auf ihre Situation einen Einfluss haben wird. Jedoch wissen wir aus zuverlässige Quellen, dass genau diese Kategorien von Menschen die meist gefährdete Kategorie ist.

Auch kann man davon ausgehen, dass einige nicht gemeldeten Fälle krasser sind als die gemeldeten, da diese Leute Angst haben, dass ihre Situation sich (noch mehr) verschlechtern würde. Genau. Sie haben Angst. Sie haben Angst, dass die offizielle Stelle, wenn Angeklagt wird, gleichzeitig die Rolle des Richters spielt. Und was diese kurze Information zeigt ist, dass sie recht haben, Angst zu haben, weil genau das hat der Stadtrat gemacht. Der Stadtrat kann nicht entscheiden, dass die Fälle von untergeordneten Bedeutung sind, wenn sie selber in der Sache verwickelt ist. Der Stadtrat kann nicht die Messlatte definieren, was „untergeordnete Bedeutung“ wirklich ist.

Nun kurz ein Wort über die Zeit, die es brauchte, um zu entscheiden, dass die 25 Fälle von untergeordneter Bedeutung sind. Der Bericht wurde in April abgegeben. Der Entscheid, den wir lesen, hat 6 Monate gebraucht. Das für eine Bagatelle? Das ist ja entweder sehr sehr ineffizient, oder es gab genügend Sachinhalt, dass es doch nicht so unbedeutend war.

Von wo gehen wir hier? Wir verstehen selbstverständlich, dass die Information nicht öffentlich sein kann. Jedoch gibt es einen üblichen Weg in solchen Situationen umzugehen. Der Bericht soll an die GRPK weitergegeben werden. Diese, und nicht der Stadtrat, soll sich mit der Beurteilung beschäftigen, ob die Sache von untergeordneten Bedeutung ist oder nicht. In dieser Sache sollte man auch unbedingt eine Expertin oder ein Expert beteiligen, der oder die von einem professionellen Standpunkt eine Meinung geben könnte.

Integrationsmassnahmen sowie Umgang mit Leuten, die Probleme haben, ist nicht nur eine linke Angelegenheit. Eine Abteilung Soziales ist da für alle. Es ist eine wichtige Institution, die beiträgt, eine stabile Gesellschaft aufzubauen. Niemand ist von einer Krise geschützt.

André Csillaghy, Gemeinderat SP, Fraktion SP/Grüne