Forderungen der GRÜNEN an den Bundesrat zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Firmenkonkursen aufgrund der Corona-Krise

Der Führungsstab des Bundes hat bisher rasch und überzeugend auf die gesundheitlichen Risiken des neuartigen Coronavirus COVID-19 reagiert. Viel zu spät hat der Bundesrat jedoch Massnahmen zur kurzfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Vermeidung von Firmenkonkursen geprüft. Die Schutzmassnahmen haben grosse und vermutlich längerfristige Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben. Die GRÜNEN fordern den Bundesrat auf, noch während der Frühlingssession einen Aktionsplan mit kurz- und mittelfristigen Massnahmen zu beschliessen. Für die GRÜNEN stehen dabei fünf Handlungsfelder im Vordergrund:

1. Einrichtung einer Task-Force «Volkswirtschaft»

Der Bund soll so rasch als möglich eine Task-Force «Volkswirtschaft» einrichten mit dem Ziel, gemeinsam mit den Kantonen Sofortlösungen für die Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Firmenkonkursen aufgrund der Corona-Krise umzusetzen. Dazu soll der Spielraum bestehender Gesetze und Verordnungen vollständig ausgereizt und wenn nötig befristet erweitert werden. Nur so kann schnelle und unbürokratische Hilfe ausgelöst werden.

Neue befristete Unterstützungsmassnahmen sind insbesondere für Branchen und Arbeitssituationen zu entwickeln, die heute aus strukturellen Gründen zwischen Stuhl und Bank fallen. Dazu gehören Freischaffende, Selbstständige mit Leistungsvertrag, atypisch Beschäftigte oder Veranstalter, die aus nachvollziehbaren Gründen keine Versicherung abschliessen konnten.

Die Task-Force soll eng mit den betroffenen Branchenverbänden und Gewerkschaften zusammenarbeiten. So kann sichergestellt werden, dass die Massnahmen des Bundes den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen und schnell auf die sich fortlaufend ändernde Situation reagiert wird.

2. Vermeiden von Entlassungen und Liquiditätsengpässen

Speziell im Gast- und Eventgewerbe und im Tourismus leiden viele Unternehmen unter kurzfristigen Umsatzeinbussen. Um Entlassungen und Liquiditätsengpässe zu vermeiden, soll der Bund neben der Ausschöpfung der bestehenden Instrumente (z.B. gewerbeorientiertes Bürgschaftswesen) unbürokratische Sofortmassnahmen beschliessen:

  • Anpassung der Regelungen zur Kurzarbeit: Die betroffenen Unternehmen sollen ohne grossen administrativen Aufwand Kurzarbeit beantragen können. Die heute bestehenden Karenzfristen sollen auf Verordnungsweg reduziert, die Voranmeldezeit verkürzt und die administrativen Verfahren vereinfacht werden. Zudem ist die Anwendung von Kurzarbeit auch für befristete Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen.
  • Verlängerte Zahlungsfristen: Bei nachweisbar drohenden Liquiditätsengpässen sollen Zahlungsfristen für AHV-Beiträge, Sozialversicherungsbeiträge und Mehrwertsteuern verlängert werden können.
  • Eine Lockerung der Auszahlung von BVG-Arbeitgeberbeitragsreserven: Mit Vorauszahlungen können Unternehmen in guten Jahren BVG-Reserven äufnen, um in schlechteren Jahren den BVG-Anteil des Arbeitgebers zu garantieren. Mit diesen Reserven (wo vorhanden) sollen im Jahr 2020 ausserordentlich auch die Arbeitnehmer*innenbeiträge bezahlt werden können.
  • Staatliche Kreditgarantien: Der Bund soll unverzüglich Kreditgarantien im Sinne von Bürgschaften für Geschäftsbanken übernehmen, die kleinen und mittleren Unternehmen bei Liquiditätsengpässen und anderen Härtefällen kurzfristige Überbrückungsmassnahmen ermöglichen. Die Unternehmen müssen darlegen, dass mindestens 15 Prozent ihres Umsatzes durch die Corona-Massnahmen reduziert wurden. Die GRÜNEN erwarten aber auch von den Banken, die 2008 mit Staatsmilliarden gerettet wurden, eine kulante Kreditpraxis.

3. Soziale Absicherung für Freischaffende, Selbstständige mit Leistungsverträgen, atypisch Beschäftige (insbesondere auch im Kulturbereich) und Weitere

Um eine Ansteckung zu reduzieren, wurden in den letzten Wochen mittlere und Grossveranstaltungen abgesagt. Dadurch verliert die Eventbranche gemäss eigenen Angaben 1,5 bis 2 Millionen Franken Umsatz pro Tag. Dies trifft die Veranstalter*innen, deren Jahresumsatz unter Umständen von einem Event abhängen kann. Und es trifft Künstler*innen und Techniker*innen, die keine feste Anstellung haben, sondern für einzelne Aufführung engagiert werden. Sie können nicht von Kurzarbeit profitieren, müssen aber mitunter wochenlang auf Lohnzahlungen verzichten.

  • Um diese prekäre Situation zu entschärfen, soll der Bundesrat mit einem Spezialkredit für die unbürokratische, befristete Absicherung von Freischaffenden, Selbstständigen und Personen in atypischen Arbeitsverhältnissen auslösen und die entsprechenden Anspruchskriterien definieren. Dieser soll von den regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV dezentral verwaltet werden.
  • Auch die Kantone haben entsprechend den eigenständig verfügten Massnahmen (Verbot von Veranstaltungen unter 1000 Personen) einen Beitrag an die soziale Absicherung in einer besonderen Lage zu leisten.
  • Bund und Kantone sollen eine gemeinsame Hotline einrichten, welche Freischaffende, Selbstständige mit Leistungsverträgen und atypisch Beschäftige (insbesondere auch im Kulturbereich) über bestehende und neue Massnahmen zur sozialen Absicherung in einer besonderen Lage nach Epidemiengesetz informiert. Die Task-Force legt die Spielregeln für die Beanspruchung von Leistungen fest. Veranstalter*innen sollen für abgesagte Veranstaltungen (teil-)entschädigt werden,

wenn sie aus nachvollziehbaren Gründen keine Versicherung abschliessen konnten. Denkbar wäre zum Beispiel eine Entschädigung der Hälfte der erwarteten Einnahmen bis zu einer Maximalsumme von 10’000 Franken.

4. Massnahmen für die Tourismusbranche

Auch die Tourismusbranche in der Schweiz ist stark von den Einschränkungen im Zusammenhang mit dem COVID-19 betroffen. Die Zahl der Stornierungen von Aufenthalten und Veranstaltungen in den Zielgebieten nimmt stetig zu. Auch im Tourismusbereich sollen – neben der Kurzarbeit – bestehende Instrumente unbürokratisch angepasst werden:

  • Kurzarbeit soll ausnahmsweise auf befristete Arbeitsverträge ausgedehnt werden können.
  • Befristetes Aussetzen der Rückzahlung der von der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredite gewährten Kredite.

Bereits heute soll für die Zeit nach der Corona-Krise eine zusätzliche Werbekampagne von Schweiz Tourismus für nachhaltige touristische Angebote für den Inlandmarkt und den europäischen Markt vorbereitet und finanziert werden.

5. Langfristiges Resilienz-Programm für eine stabile, nachhaltigere Volkswirtschaft

Die Corona-Krise zeigt in aller Deutlichkeit die Risiken der immer stärkeren globalen Verflechtung der Wirtschaft auf. Fabriken stehen still, Vormaterialien fehlen, Lieferketten werden unterbrochen. Insbesondere die globale Vernetzung Chinas mit westlichen Staaten hat stark zugenommen. Seit dem Ausbruch der Sars-Krise 2003 hat sich Chinas Anteil am globalen Output vervierfacht. Steht die Produktion in China still, dann kommt auch die europäische Wirtschaft ins Stottern.

Besonders dramatisch ist die Abhängigkeit der europäischen Länder bei existenziellen Gütern wie Medikamenten. 80 Prozent der Medikamentengrundversorgung in Deutschland basiert heute auf Vorprodukten aus China. Der Bundesrat kann deshalb nach dem (hoffentlich raschen) Abschluss der Corona-Krise nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Die Task-Force «Volkswirtschaft» soll ihre Arbeit auch nach Abschluss der «besonderen Lage» gemäss Epidemiengesetz weiterführen und aufgrund der COVID-19-Erfahrungen Massnahmen zur Vorbeugung und Milderung von zukünftigen Risiken erarbeiten. Dazu gehört insbesondere:

  • Eine Ergänzung des Epidemiengesetzes im Bereich Massnahmen und Zuständigkeiten für die Bewältigung von ausserordentlichen wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie.
  • Die Entwicklung einer Strategie zur gezielten Re-Lokalisierung der Produktion von strategisch wichtigen Gütern wie Medikamenten in Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarländern.